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Meinung: Muss Europa näher zusammenrücken?

Zur Berichterstattung über die Euro-Krise Das ganze Hin und Her um den Euro-Rettungsschirm macht vor allem eines deutlich: Die Stabilität des Gemeinschaftswährung krankt vor allem daran, dass einige Staaten nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihre Haushalte in den Griff zu bekommen. Kein Wunder, sind doch die anderen eher mehr als weniger gezwungen, die Suppe auszulöffeln, die Ihnen Griechenland und Irland und bald wahrscheinlich auch Spanien, Portugal oder Italien eingebrockt haben.

Zur Berichterstattung über die Euro-Krise

Das ganze Hin und Her um den Euro-Rettungsschirm macht vor allem eines deutlich: Die Stabilität des Gemeinschaftswährung krankt vor allem daran, dass einige Staaten nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ihre Haushalte in den Griff zu bekommen. Kein Wunder, sind doch die anderen eher mehr als weniger gezwungen, die Suppe auszulöffeln, die Ihnen Griechenland und Irland und bald wahrscheinlich auch Spanien, Portugal oder Italien eingebrockt haben. Die Staatschefs können nun ewig debattieren, ob sie den Rettungsschirm vergrößern oder nicht, letztlich können sie doch keinen der Euro-Staaten im Regen stehen lassen, wenn er sich in finanzieller Notlage befindet.

Und so lange das so ist, solange die Steuerzahler in Deutschland oder Frankreich oder den anderen Staaten, die besser dastehen, für die Schuldenpolitik von undisziplinierten Staaten geradestehen müssen - also deren Schulden bezahlen, besteht für Griechenland und Co. überhaupt keine Veranlassung, wirklich etwas zu ändern!

Ich meine, dies ist eine gute Gelegenheit für die Europäer, eine wirkliche Einheit Europas zu schaffen, politisch und wirtschaftlich. Die EU kommt früher oder später ohnehin nicht darum herum, sich gegen die wirtschaftlichen Schwergewichte in der Welt als Einheit zu präsentieren, und die letzten Strukturänderungen mit der Schaffung der Posten eines EU-Präsidenten und einer EU-„Außenministerin“ gehen bereits in diese richtige Richtung. Warum nun nicht einfach Nägel mit Köpfen machen und die EU zu einem Bundesstaat wie zum Beispiel die USA umbauen. Auch die föderale Verfassung der Bundesrepublik könnte man sich als Vorbild nehmen und entsprechend modifizieren. Ich denke, das wäre eine gute Lösung, von der am Ende alle profitieren könnten.

Johannes Bode, Berlin-Gropiusstadt

Sehr geehrter Herr Bode,

derzeit treibt sehr viele die Sorge um, wie wir in der EU aus der schwierigen Situation herauskommen, in die uns die haushaltspolitische Schieflage der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten gebracht hat und die die Märkte zum Spekulieren gegen den Euro brachte.

Es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, dass alle Länder im Euroraum derzeit gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen, auch die Bundesrepublik Deutschland. Diese haushaltspolitische Schieflage in der EU hat sich über Jahre aufgebaut, sie ist aber durch die Notwendigkeit der Gegenwehr gegen die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise erst wirklich dramatisch geworden.

Was wir seit Beginn es Jahres 2010 lernen mussten, ist, dass die EU zusammenstehen muss, wenn eines ihrer Mitglieder unter den Druck der Märkte ins Trudeln gerät und dass es ganz falsch ist, zu glauben, die Probleme in Griechenland oder anderswo gingen nur die jeweiligen Völker etwas an. Hier ist am Anfang vieles falsch gemacht worden, auch und gerade von Deutschland.

Dennoch bin ich nicht der Ansicht, dass ein Bundesstaat EU, so wie Sie ihn vorschlagen, die Lösung wäre. Die heutigen haushaltspolitischen und wirtschaftlichen Probleme in der EU haben aus meiner Sicht drei Gründe: mangelnde nationale Verantwortungsübernahme, mangelnde gemeinsame Absprache und Koordinierung in der EU und die Tatsache, dass es wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den EU-Staaten gibt, die von allen nicht ernst genug genommen wurden. Dort, wo beispielsweise Deutschland gewann, geschah das durchaus auf Kosten anderer. An diesen Wurzeln muss das Problem angegangen werden. Und hier gibt es inzwischen ermutigende Signale – die rigiden Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung in den EU-Staaten sind nicht nur regelrechte nationale Gewaltakte, sondern überall auch Ausdruck einer Verantwortungsübernahme für Europa. Mehr Koordinierung zwischen den EU-Staaten soll es ab 2011 geben. Aber sie darf nicht wieder in Prozeduren – wie in der Vergangenheit – ersticken, sondern sie muss durch Politiker geleistet werden.

Zudem wird für meinen Geschmack derzeit in der EU zu viel über die Schulden und zu wenig über die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft gesprochen, denn dort liegen die strukturellen Probleme der EU. Alle EU-Wirtschaften müssen wachsen und sich entwickeln, damit sich die aufgebauten sozialen Probleme wieder lösen lassen. Eine Arbeitslosenrate um 20 Prozent wie derzeit in Spanien ist weder für Spanien noch für die EU insgesamt erträglich.

Deshalb würde ich mich dem zuwenden, was derzeit vordringlich und auch machbar ist. Ein europäischer Superstaat, ganz nach deutschem Vorbild, gehört auf keinen Fall dazu. Niemand wird nach meiner Überzeugung seine Nationalität in „Brüssel“ abliefern wollen und ich halte das auch nicht für wünschenswert.

Herzlich,

— Prof. Günter Verheugen (SPD), bis Februar 2010 Vizepräsident und Industriekommissar

der Europäischen Kommission

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