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My BERLIN: „Denn ist ein Priester, dem wir traun, nicht rein …“

Die Kirche hat sich als Institution mit dem Herzen eines Feiglings herausgestellt. Ich möchte nicht Teil einer Kirche sein, der der Mut fehlt

Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob Jesus Christus auf die Erde zurückkehren wird. Aber wenn ja, dann dürfte er ziemlich sauer sein. Die katholische Kirche dürfte die am schlechtesten geführte Institution weltweit sein. Der Vatikan ist das Opfer seiner Angst vor Gesichtsverlust. Die päpstliche Verschwiegenheit, einst eine Waffe gegen die Eingriffe des Staates, hat ihren Wert verloren: Nun verdeckt sie Fehler und Inkompetenz.

Harte Worte, ich weiß, und ein katholischer Freund rät mir zu mehr Güte. Die Kirche, meint er, bewege sich auf einer anderen Zeitskala. Ihre kleinste Zeiteinheit sei das halbe Jahrhundert. So lange werde es dauern, um das umzusetzen, was einigen beim Zweiten Vatikanischen Konzil vorschwebte. Der Glaube, behauptet er in einer verrauchten Kneipe, ist stark; schwach sind die, die glauben. Das klingt wie das, was einige Linke über den Kommunismus sagten: gute Idee, nur schlecht ausgeführt. In England gab es schon immer einen Grundzweifel am Priestertum. Unser großer Dichter Geoffrey Chaucer schrieb im 14. Jahrhundert: „Will Gold schon rosten, was tut Eisen dann?/ Denn ist ein Priester, dem wir traun, nicht rein,/ so ist’s kein Wunder, dass voll Rost die Lai’n.“

Korrupte Priester sind deshalb ein Problem für uns alle. Ich glaube, dass es sich die Katholiken zu einfach machen. Ja, natürlich ist Pädophilie nicht nur ein Problem der Katholiken, auch die Verbindung zum Zölibat ist nicht überzeugend hergestellt, und ja, einige Medien wollen den deutschen Papst, den ehemaligen Panzerkardinal, vorführen. Aber leicht kann man seinen Frieden nicht machen mit einer Kirche, die hohe Ansprüche an die Ausbildung legt, die unsere Kinder nimmt, um sie zu klugen, geistig wachen Individuen zu machen – und sie dann verrät.

Das Verschieben der Täter innerhalb der Kirche hat System: aus Irland wurden die Priester in die USA versendet, aus Spanien nach Lateinamerika und aus Berlin nach Bayern. Wenigstens hat der Papst in einem Brief an die irischen Bischöfe eingeräumt, dass es Opfer von Täter-Priestern gegeben hat. Eine Art von Entschuldigung kam auch. Aber Benedikt scheint nicht zu verstehen, dass es längst ein Problem der Institution ist. Die Kirche wird von einem Teil der Gläubigen (45 Prozent laut Forsa) nicht mehr als die ihrige angesehen. Es existiert eine Glaubwürdigkeitslücke. Als ich in Polen lebte, gehörte es einfach dazu, mit der Familie in die Kirche zu gehen und sich vom Priester die Ostereier segnen zu lassen. Heute wirkt das wie sentimentaler Quatsch.

Ich gehe am Sonntag in die Kirche, mit Block und Stift in der Hand. Die „Times“ schickt ihre Reporter aus – in Rom, Irland, Madrid, Boston –, damit sie über die Predigten berichten. Wie werden die Priester die Osterbotschaft des Leidens und Wiederauferstehens mit ihrer eigenen Unfähigkeit verbinden, Verantwortung zu übernehmen. Mich überzeugt nur eine rhetorische Meisterleistung.

Aber wenn ich als Reporter und nicht als Gläubiger in die Kirche gehe, werde ich meine persönlichen Abneigungen ablegen. Das Ziel ist, die Krise in ihren Nuancen zu erfassen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass im Schulsystem der 60er Jahre Brutalität gang und gäbe war. Wir hatten viele Lehrer, die im Krieg gekämpft hatten, und denen fehlte oft nicht nur ein Arm, sondern auch das psychische Gleichgewicht. Sie waren voll Wut und schlugen uns. In Deutschland war es vermutlich nicht anders.

Die andere Seite dieser Agression war Pädophilie. Die Pädophilen waren die einzigen Lehrer, die Zuneigung zeigten, die Heimweh verstanden. Später haben wir verstanden, wie schwach und manipulativ sie waren, aber als Kinder haben wir ihre „Freundlichkeit“ akzeptiert. Die Wut, das Gefühl missbraucht worden zu sein, kam Jahre später. Das Gleiche, denke ich, geschieht in der katholischen Kirche. Die Opfer wachen auf und fangen an zu verstehen, was in ihrer Kindheit geschehen ist.

Und ihnen wird klar, dass die Kirche diese Täter gründlich geschützt hat – so gründlich, dass sie sich immun fühlten. Wenn ein Priester auffällig wurde, konnte er einfach gehen. Die Kirche hätte ihn stattdessen zwingen müssen, sich seinen Opfern und seiner Tat zu stellen. Erst so entsteht Buße und möglicherweise Vergebung. Indem sie darauf nicht bestand, hat sich die Kirche als Institution mit dem Herzen eines Feiglings herausgestellt. Ich möchte nicht Teil einer Kirche sein, der der Mut fehlt.

Fröhliche Ostern, dennoch. Vielleicht sehen wir uns in der Kirche. Oder vielleicht nicht.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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