zum Hauptinhalt

My BERLIN: Der Fluch des Albatros

In Samuel Taylor Coleridges „Ballade vom alten Seemann“ erlegt ein Matrose mit seiner Armbrust einen Albatros. Folgt solch ein Vogel einem Schiff, bringt er der Besatzung Glück.

In Samuel Taylor Coleridges „Ballade vom alten Seemann“ erlegt ein Matrose mit seiner Armbrust einen Albatros. Folgt solch ein Vogel einem Schiff, bringt er der Besatzung Glück. Ihn zu töten, bringt Unglück. Coleridges Held tut Buße, indem er statt seines Kruzifix’ den toten Vogel um den Hals trägt. Aber es ist zu spät: Die Seeleute und ihr Schiff sind verloren, verdammt vom Fluch des Albatros.

Ein ähnlicher Fluch liegt auf dem Amt des deutschen Verteidigungsministers. Ich kann nur hoffen, dass der Verwaltungsfachmann Thomas de Maizière schon den Bungalow für die Rente gekauft hat, denn seine Karriere wird – wie die von Theodor Blank, FJ Strauß, Georg Leber, Hans Apel, Manfred Wörner, Rupert Scholz, Gerhard Stoltenberg und Rudolf Scharping (um nur einige zu nennen) – bald nach unten gehen.

Es ist nicht so, dass Deutschlands Verteidigungschefs politisch inkompetent wären. Es gibt vielmehr ein strukturelles Problem. Das Ministerium kontrolliert eine riesige Armee, die größte Europas, die nie dazu bestimmt war, Schlachten zu schlagen. Eine Armee, die keine Helden haben oder Regimentstraditionen pflegen durfte. Das Konzept des „Bürgers in Uniform“ erntete Lob aus dem Ausland, sinnvoll aber war es nur im ersten Jahrzehnt der Existenz der Bundeswehr. Auf lange Sicht können Armeen keine Erziehungsanstalten sein. Ihre primäre

Mission ist es nicht, junge Männer zu besseren Staatsbürgern zu machen, sondern die Nation zu verteidigen.

Das ist das Herz des Dilemmas: Jahrzehntelang konnte Deutschland sich nicht auf die angemessenen Kosten von Bewaffnung einigen, schaffte es nicht, moderne Kriegsführung zu definieren und sich entsprechend vorzubereiten – und war überhaupt unfähig, die zu verteidigende Nation zu definieren und sich ihr zu verpflichten.

Der Minister hat daher eine unmögliche Aufgabe. Das Ergebnis ist, dass Verteidigungsminister von Anfang an mit ihren Bürokraten in Konflikt stehen. Vielleicht sind sie (wie Manfred Wörner oder KT zu Guttenberg) beliebt bei der Truppe und haben eine rege Beziehung mit den Medien. Aber ihr wichtigster Kampf muss sein, Kontrolle über den Apparat zu gewinnen, seine Buchhalter, seine politisierten Generäle, seine komplexen und oft ungesunden Beziehungen zur Rüstungsindustrie. Im Ministerium passiert zu viel, das die Ohren des Ministers nie erreicht.

Der erste deutsche Verteidigungsminister, den ich persönlich kannte, war Hans Apel. Als junger Reporter in Bonn schrieb ich, dass der SPD-Mann Apel trotz seiner verrückten Frisur zum Nachfolger von Kanzler Helmut Schmidt bestimmt war. In mancher Hinsicht war er ein Schmidt-Klon: Hanseat, Finanzexperte, Pflichtmensch. Er konnte sogar segeln.

Es war die erste meiner vielen falschen Vorhersagen über die deutsche Politik. Es war nicht leicht, Verteidigungsminister in einer Partei zu sein, die so vom Pazifismus durchtränkt war. Zudem wurde Apel im Ministerium systematisch sabotiert, die Kosten für den Tornado (Nachfolger des desaströsen Starfighter) explodierten. Als Apel im Parlament sein Ministerium zu verteidigen versuchte, rief ein Genosse: „Stell dich nicht so voreilig vor deine Beamten, zieh das nicht immer auf dich!“

Diesen Fehler hat KT zu G nicht gemacht. Seine Entlassungen im Zusammenhang mit Kundus schienen wie ein energischer Versuch, das Kommando über das Ministerium zu übernehmen. Doch ein Jahr später wirkten sie eher wie impulsive Entscheidungen eines Emporkömmlings, der es nicht lange machen würde. Die Gorch- Fock-Affäre warf ähnliche Zweifel auf. Die Galionsfigur des Schiffs? Natürlich: ein Albatros.

Das falsche Doktorat entlarvte den Baron als überambitioniert, irrational, als nachlässig mit seinen eigenen Worten. Der Skandal drehte sich um Ehrlichkeit. Aber es gab ein weiteres Element: Hätte Guttenberg weitergemacht, wäre er zu einer Witzfigur geworden. Schauen Sie sich an, was aus dem Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping geworden ist, sicherlich dem lustigsten Mann, der je aus dem Westerwald kam: planschend im Pool mit seiner Gräfin. Oder mit neuer Armani-Brille. Oder vom Fahrrad gefallen.

Wenn die Wähler über Minister lachen, weiß man, dass es für ein Comeback keine Chance gibt. Guttenberg ist gerade noch rechtzeitig ausgestiegen, bevor er zur Witzfigur wurde, zum Münchhausen. Wer seinen Albatros erlegt, ist im politischen Leben nicht mehr zu retten. Der einzige Verteidigungsminister, der sich nicht selbst in den Fuß geschossen hat, war Helmut Schmidt. Er allein scheint an seinem Glück festgehalten zu haben. Vielleicht ist es Zeit für ein Comeback.

Aus dem Englischen übersetzt von Jan Oberländer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false