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My Berlin: Deutsche Männer wollen nicht erwachsen werden

Der Trend geht zu den Jungs-Männern: Boris Becker und Co. fehlt es an Reife.

Lieber Brad, liebe Angelina,

wie ich höre, plant ihr die Adoption eines weiteren Kindes. Herzlichen Glückwunsch. Ich möchte mich als Kandidat ins Gespräch bringen. Ich stamme zwar nicht aus einem afrikanischen Dorf, aber meine Eltern sind fast tot (dieser Prozess könnte beschleunigt werden, wenn ihr die Adoption noch vor der Weihnachtsausgabe der „Gala“ unter Dach und Fach bringen wollt). Ich bin tief verschuldet, komme fast nie auf drei anständige Mahlzeiten pro Tag und würde mich in jedem eurer fünf Häuser wohlfühlen, auch wenn mir das in Kalifornien am liebsten wäre. Notfalls ließe ich mir auch von Angelina die Brust geben.

Vielleicht klappt es ja. Ich bin nicht sicher, die Hollywood-Typen sind ja so eigen. Aber sicher bin ich mir, dass ich mich mal wieder voll im Zeitgeist befinde: Männer wollen zunehmend wie Kinder sein. Ein neues Buch, „Men to Boys: the Making of Modern Immaturity“, zeigt, dass es sich dabei um einen internationalen Trend handelt. 30-jährige Männer, die von Videospielen und Comicheften abhängig sind, die Angst vor Ehe und Verantwortung haben. Das sind Jungs-Männer, eine Generation von Peter Pans, deren Idol nicht mehr Cary Grant ist, sondern der zerstreute, charmante, total unzuverlässige Hugh Grant. Mann zu sein, bedeutete früher, etwas erreichen zu können. Heute ist es ein Problem, das es zu überwinden gilt.

Deutsche Männer scheinen von diesem Trend besonders stark erfasst zu sein – eine Fluchtbewegung weg von Familie in Richtung Fitnessstudio. Der oberste Jungs- Mann ist Boris Becker, der seinen eigenen zweifelhaften Rekord eingestellt hat und seine Verlobte nach 100 Tagen in die Wüste geschickt hat, mit dem Argument, sie passe nicht in seinen Tagesablauf. Also wurde sie der Welt zurückgegeben, wie man ein kaputtes Spielzeug kurz vor Ablauf der Garantie zurückgibt. „Bild am Sonntag“ griff Boris frontal wegen seiner mangelnden Reife an, eine angenehme Abwechslung zum schleimerischen Blödsinn, der sonst auf Boris-Trennungen folgt. Der Artikel zitiert aus BBs Lieblingsgedicht „If“ von Rudyard Kipling: „Wenn dich Triumph und Sturz nicht mehr gefährden, weil beide du als Schwindler kennst, / Lässt du dich nicht von Freund noch Feind bestechen, schätzt du den Menschen, überschätzt ihn nicht, / Dein ist die Erde dann mit allem Gute und was noch mehr, mein Sohn, du bist ein Mann.“

Der „BamS“-Kommentar: „Nur leider verhält es sich gerade im Fall des eigentlich sehr sympathischen Herrn Becker gerade mal wieder so, dass man ihm vieles glaubt, nur nicht, dass er, der fast 41-Jährige, ein Mann ist.“

Der deutsche Mann hat es schwer, schwerer als der anderer Nationen, weil er kein konsistentes Rollenvorbild hat. Zu viele Männer starben im Ersten Weltkrieg, in der Generation darauf starben wieder Millionen. Deutsche Frauen sind besser verankert, sie leben in einer Kontinuität. Seit 1945 haben sich die Männer über ihre Arbeit definiert, ihr Einkommen, über Statussymbole. Die 68er waren nicht anders als ihre Väter: Arbeitsorientierte, erfolgreiche Muttersöhne wie Gerhard Schröder oder Joschka Fischer waren die Norm. Wenn es aber eine universelle Definition von Männlichkeit gibt, dann die: schwierige Entscheidungen treffen und zu ihnen stehen; in der Erwachsenenwelt leben; für seine Ziele kämpfen. Reicht das? Vermutlich nicht.

Offenbar leidet der deutsche Mann unter Phantomschmerz. Warum sonst würden zwei Wie-wird-man-ein-Mann?-Bücher oben auf der Bestsellerliste stehen? Das eine vom ehemaligen Torwart Olli Kahn trägt den Titel „Ich“, das zweite, vom anderen Alpha-Mann Dieter Bohlen, „Der Bohlenweg“. Nicht zu verwechseln mit dem Jakobsweg. Oliver sagt, dass Kraft von innen kommt und von Authentizität gespeist wird. Das kann man von der Nummer Eins lernen: „Ich habe mich immer und immer wieder hineinversetzt in das, was ich sein wollte, bis ich es schließlich vollständig verkörperte. Bis ich es war, was ich sein wollte.“ Verstanden? Gut. Seine Autorität wird aber ein wenig in Frage gestellt, weil er sich nicht zwischen den drei Frauen in seinem Leben entscheiden kann, Freundin Verena, Ehefrau Simone und Mutti.

Daher ist Dieter der echte Guru für Männer auf der Suche. Dessen Prosa kommt daher wie der Befehl eines unflätigen Majors in der Kaserne. Der Jungs-Mann, scheint mir, will Befehle bekommen. Bohlen: „Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung. Hast du Erfolg, hast du Geld, hast du Geld, hast du Autos, hast du Autos, hast du Frauen.“ So einfach ist es.

Wer von Dieter adoptiert werden will, kann sich an seinen Verleger wenden: Heyne Verlag, Bayerstraße 71-73, 80335 München.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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