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Meinung: MY BERLIN Wie Berlusconi die Deutschen lobt

Das Vorbild aller seriösen britischen Auslandskorrespondenten ist der legendäre Wendlock Jakes. In den 20er Jahren des 20.

Das Vorbild aller seriösen britischen Auslandskorrespondenten ist der legendäre Wendlock Jakes. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde er auf den Balkan geschickt, um von einer Revolution zu berichten. Im Zug schlief er ein und stieg in der falschen Hauptstadt aus, schickte dann jedoch ein so lebendiges Portrait, dass dort Kämpfe ausbrachen.

Ungefähr in diesem Geist reiste ich in dieser Woche nach London, um im Goethe-Institut Werbeexperten zu helfen, ein neues Image für Deutschland auszuarbeiten. Ein hilfreiches Bild, das die Tatsache verdeckt, dass Adolf Hitler für britische Teenager immer noch der bekannteste Deutsche ist. Mir erging es jedoch wie Wendlock Jakes: Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort. Als die Brainstormer in London gerade debattierten, wie man das britische Deutschlandbild entnazifizieren könne, erreichte Silvio Berlusconi im Europäischen Parlament das Gegenteil. So machte ich mich auf den Weg zurück nach Berlin, um Deutschland in dieser Stunde der Not beizustehen.

Könnte Berlusconis Taktlosigkeit zum Wendepunkt werden, der die Deutschlandkritiker davon abhält, die Nazi-Karte zu spielen? Das würde ich gerne denken. Doch das Grundproblem bleibt: Deutschland ist selbst fasziniert vom Dritten Reich. Man muss sich nur die Zuschauerquoten bei Guido Knopp ansehen. Die Verkaufszahlen des „Spiegel“, wenn er Hitler auf dem Titel hat. Oder die Rekordzahl von Büchern über das Dritte Reich. Natürlich muss jede neue Generation Deutscher ihren Weg finden, wie sie mit den zwölf schrecklichen Jahren umgeht. Die Suche nach einer Erklärung ist zu einem Teil der modernen deutschen Identität geworden. Die Deutschen können schlecht von ihren europäischen Partnern erwarten, dass die das völlig ignorieren, wenn es doch eine so große Rolle im deutschen Alltag spielt.

Mir scheint, es geht nicht darum, die Nazivergangenheit zu verschweigen oder sogar Nazivergleiche zu vermeiden. Der deutsche Umgang mit dem Datenschutz, mit Euthanasie, mit Polizeigewalt, ärztlicher Ethik und hunderten anderer Fragen ist geprägt durch die Reaktionen auf die Hitler-Jahre. Unausgesprochene Nazi-Vergleiche sind also Teil des politischen Alltags. Allerdings sollten Deutschlands Partner einen neuen Ton in ihrem Umgang mit Deutschland und seiner Vergangenheit finden.

Berlusconi versuchte sich damit zu entschuldigen, dass er seine Kapo-Bemerkung ironisch gemeint habe. (Er wollte wohl sagen: Die Deutschen verstehen keine Ironie, als sei seine Taktlosigkeit ein Problem der Deutschen.) Ich finde diese Entschuldigung fast ebenso beleidigend wie den ersten Kommentar. Im Grunde versteht Berlusconi selbst keine Ironie. Er ist vermutlich ein Mann ohne Humor. Ein Politiker, der seine Entscheidungen aufgrund ethnischer Klischees trifft, ist ein schlechter Politiker. Er sollte mal wieder Machiavelli lesen.

Die Werbewelt sollte aufhören, Deutschland als cool zu vermarkten. Deutschland, damit müssen wir uns abfinden, wird nie cool sein. Die traurige Love Parade beweist das jeden Sommer. Aber wir können anfangen, die negativen Stereotypen aufzubrechen und Deutschlands angebliche Schwäche zu einer Stärke zu machen. Berlusconi meint, Deutschland sei eine ironiefreie Zone? Vielleicht stimmt das. Aber was ist denn Ironie? Eine Form von Irreführung, ein Humor, der täuscht. Deutsche sind ernster und redlicher. Leute, die so direkt sind, sind verlässlicher. Sind loyale Freunde. Und gute Verbündete.

So kann man, ausgehend von einer ignoranten Vermutung über den deutschen Humor, zu einer positiven Bewertung des deutschen Charakters gelangen. Vergesst „Cool Germania“. Das Land sollte in der Welt als „freundliches Deutschland“ vermarktet werden – als Gesellschaft, die Offenheit und Redlichkeit hoch hält. Bis auf ein paar Ausnahmen stimmt das ja auch.

Oh je, jetzt werde ich sentimental. Die britische Ironie kehrt in der nächsten Glosse zurück. Versprochen.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times“. Foto: privat

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