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Philipp Rösler und Angela Merkel, gut gelaunt auf den Regierungsbänken im Bundestag.

© dpa

Nach dem Koalitionsgipfel: Lob des Kompromisses

Es ist so einfach, die schwarz-gelbe Regierung zu kritisieren, so leicht, Interessenausgleich als Kuhhandel zu diffamieren. Das Gesamtpaket aber, das beim Koalitionsgipfel beschlossen wurde, ist kein Kuhhandel, der Vorwurf ist zu kurz gedacht. Denn was beschlossen wurde, wird Bedeutung haben, Wirkung.

Es ist so einfach, diese Koalition zu kritisieren. Schwarz-Gelb, das ewige Missverständnis, nicht wahr? Die können es halt nicht, lernen es auch nicht mehr, streiten sich immer und immer wieder, finden sowieso nur mühselig zu Kompromissen.

Stopp! So wird es zur Genüge kommentiert. Man kann es aber auch ganz anders sehen, und zwar dann, wenn man sich freimacht von theaterkritischer Beurteilung oder der, ob die Ästhetik des Auftritts geschmackvoll ist. Und dann kommt man zu einem anderen Ergebnis.

Was die Koalition getan hat, also CDU, CSU und FDP, ist nichts anderes, als Politik zu machen. So sind sie, die sogenannten Staatsgeschäfte: Immer wieder das buchstäbliche Ringen darum, sich zu verständigen auf etwas, was von höchster, ach was, allerhöchster Bedeutung für die Entwicklung der Gesellschaft ist.

Kompromisse sind nicht schon deshalb schlecht, weil das Wort Kompromiss schlechtgeredet worden ist. In unserer vielgelobten politischen Ordnung, in der Parteien ganz selten Alleinregierungen stellen, geht es um Interessenausgleich. Und da Partei so viel heißt wie Teil vom Ganzen zu sein, ist es logisch, dass nicht alle das Gleiche wollen können. Dafür werden sie im Übrigen gewählt. Uniformität, Ununterscheidbarkeit wird zu Recht kritisiert. Wer aber noch stärkere Unterscheidbarkeit fordert, darf nicht zugleich verlangen, dass eine Koalition ein Gesangverein Harmonie sei. Koalition bedeutet auch Kollision – es kommt nur darauf an, danach wieder zusammenzufinden, mit Maß und Mitte. So wie es gerade einer „Koalition der Mitte“, die sich selbst so apostrophiert, zukommt.

Interessenausgleich, das ist leicht als Kuhhandel diffamiert. Im vorliegenden Fall ist das Gesamtpaket keiner; der Vorwurf ist zu kurz gedacht. Man kann die Bestandteile des Pakets allesamt ablehnen, politisch, aber wahr ist, dass sie Bedeutung haben, Wirkung. Die Gesundheitspolitik etwa, eines der schwierigsten Felder der Politik – eine, die 1998 auch maßgeblich zum Ende der Regierung Kohl beitrug –, wird vom Wegfall der Praxisgebühr sehr verändert. Deren Lenkungswirkung ist ja eine Hoffnung geblieben. Sie hat vor allem viele Geringverdiener davon abgehalten, zum Arzt zu gehen. Vom Geld, das die Krankenkassen verdienen, profitierten die Versicherten eher nicht. Dafür jetzt mindestens ein bisschen vom Beschluss der Koalition.

Oder die Rente: ein Megathema für die alternde Gesellschaft, für viele, viele Ältere zumal, die Armut fürchten. Die Sicherung, die jetzt eingebaut werden wird, ist da ein Fortschritt, sei er auch teurer als zuerst gedacht – hier wird christliche, demokratische, soziale Haltung, kurz: Solidarität, wieder eingeübt. Wenn dazu der Mindestlohn kommt, hat es die Sozialdemokratie noch schwerer im Wahlkampf, hier sozialer zu sein.

Aber auch das andere, was beschlossen wurde, greift tief ein ins tägliche Leben der Zukunft: Ein Bundeshaushalt, der ab 2014 strukturell ohne neue Schulden auskommen kann; 750 Millionen für Investitionen in die zum Teil marode Infrastruktur – wie ein letztes ideologisches Relikt mag da noch das Betreuungsgeld wirken. Doch selbst dafür gibt es, andererseits, durchaus valide Gründe, die in den Zahlen zu finden sind.

Ach, es ist ja so einfach, Schwarz-Gelb zu kritisieren. Aber, weil wir alle darauf schauen: Die USA wünschten sich gerade eine Handlungsfähigkeit, die zumindest weitgehend unideologisch ist. Wie hier.

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