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Verzockt? Noch-Ministerpräsident David McAllister (l.) wollte, dass seine Wähler auch der FDP helfen.

© dpa

Nach der Niedersachsen-Wahl: Am Ende der Taktik

Das Fundament der Demokratie legen die Wähler, nicht die Taktiker der Parteien. Das hat die Niedersachsen-Wahl deutlich gezeigt. Für die taktische Ausrichtung im kommenden Bundestagswahlkampf liefert Niedersachsen trotzdem wichtige Rückschlüsse.

Die Landtagswahl in Niedersachsen hat etwas gezeigt, was in Vergessenheit zu geraten drohte. Das Fundament jeder Politik in der Demokratie ist das Wahlergebnis. Dieses Fundament wird nicht von den Taktikern der Parteien gelegt, sondern vom Wähler. Der hat, wenn man das mal so salopp sagen darf, seinen eigenen Kopf, und wenn die Taktiker das nicht in ihr Kalkül einbeziehen, kommt ein Wahlergebnis heraus, das alle überrascht.

Natürlich wollte die CDU, wollte vor allem Ministerpräsident David McAllister, dass CDU-Wähler die FDP mit ihrer Zweitstimme über den Fünf-Prozent-Graben tragen. Aber so engagiert und zahlreich? Das war wirklich nicht geplant. Deshalb wurde aus den Liberalen ein Scheinriese, und der Union fehlen nun derart viele Zweitstimmen, dass sie am Ende auch die Macht verliert. Eine Konsequenz ist schon erkennbar: Bei der Bundestagswahl werden CDU und CSU mit aller Kraft um jede Stimme kämpfen. Ob es dann reicht, wird man sehen. Als ganz unumstritten wird Angela Merkel wohl doch nicht empfunden – sonst hätte ihre Aura in Niedersachsen stärker gestrahlt.

Im Umkehrschluss ist Peer Steinbrück vielleicht doch nicht ein so schwerer Mühlstein am Hals der SPD, wie all jene seit Wochen verkünden, die der SPD vorgeblich nur Gutes wollen. Stephan Weil, der vermeintlich Farblose, entsprach in Niedersachsen dem verbreiteten Wunsch nach mehr sozialer Gerechtigkeit wohl mehr als der kühle Ministerpräsident; und das war am Ende für die SPD- Sympathisanten wichtiger als Steinbrücks üppige Rednerhonorare.

Welche Lehren die FDP aus Niedersachsen zieht, wird man wohl erst bei ihrem vorgezogenen Parteitag im März erfahren. Dass sie sich seit dem Sonntag endgültig in die babylonische Gefangenschaft der CDU begeben hat, ist ohnedies klar. Die Funktion der Partei erschöpft sich künftig in der Mehrheitsbeschaffung für die Union. Andere Machtoptionen hat sie nicht, sollte es mit CDU und CSU nicht klappen. Der gestrige Ämtertausch wird zur Schärfung des eigenen Profils nicht reichen. Natürlich ist der joviale Wirtschaftsliberale Rainer Brüderle der zugkräftigere Spitzenkandidat. Aber was heißt das schon, wenn Philipp Rösler weiter Parteichef bleibt? Warum hat Brüderle gekniffen, als ihm Rösler den Parteijob anbot? Kampfesmut sieht anders aus. Das war doch eher Maulheldentum.

So ist alles noch klarer auf Lagerwahlkampf gerichtet. Natürlich könnte sich im Bund durch die Linke das deutliche Bild aus Niedersachsen ins Diffuse verschieben. Vielleicht nimmt die der SPD wichtige Prozente. Aber wenn es für Rot- Grün nicht reicht, und auch nicht für Schwarz-Gelb, ist Schwarz-Rot viel wahrscheinlicher als Schwarz-Grün. Da passt vieles eben doch nicht zusammen, und durch den Bundesrat bekäme diese Regierung nichts, aber wirklich nichts.

Den kann jetzt die rot-grüne Ländergruppe hingegen nützen, um die Koalition zu piesacken. Das fiele SPD und Grünen leichter, als in der Europapolitik auf Konfrontationskurs zur Kanzlerin zu gehen. Denn plädierten Steinbrück, Steinmeier, Gabriel und Trittin für mehr Toleranz gegenüber den Schuldnerländern der Euro-Zone, begäben sie sich in gefährliche Nähe zu François Hollande und den anderen Weichwährungsbefürwortern in Italien und Spanien. Für Merkels Propagandatruppen wäre so etwas das gefundene Fressen – und das wissen SPD und Grüne natürlich. Also kämpft vorerst jeder für sich allein. Und nach dem 22. September geht’s weiter.

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