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Nach der Wahl: EU und Weißrussland: Falsche Versprechen

Brutales Vorgehen der Staatsmacht in Minsk: Sondereinheiten schlugen Proteste brutal nieder, fast alle oppositionellen Präsidentschaftskandidaten wurden festgenommen. Die EU-Strategie ist gescheitert.

Wieder einmal hat der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko alle getäuscht. In den Wochen vor der Präsidentenwahl meinten Beobachter eine vorsichtige Öffnung des Landes Richtung Westen zu erkennen. Doch am Wahlabend hat das Regime sein wahres Gesicht gezeigt. Sondereinheiten schlugen die Proteste brutal nieder, fast alle oppositionellen Präsidentschaftskandidaten wurden festgenommen. Einer von ihnen wurde bewusstlos geprügelt und später aus dem Krankenhaus verschleppt. Mitten in der Nacht standen Milizionäre und KGB-Leute bei Journalisten und Menschenrechtlern vor der Tür, viele wurden festgenommen. Hunderte kamen ins Gefängnis, weil sie für freie Wahlen auf die Straße gegangen waren.

Das Vorgehen des Staates weckt Erinnerungen an längst vergangen geglaubte Zeiten. Statt der von den Europäern erhofften Demokratisierung und Westöffnung erlebt Weißrussland unter Lukaschenko eine Restauration nach sowjetischem Muster. Die Szenen aus Minsk stellen selbst die „gelenkte Demokratie“ von Russlands Premier Putin noch in den Schatten. Lukaschenko scheint sich im Umgang mit Demonstranten vielmehr an China zu orientieren. Seit 16 Jahren regiert er das Land nun schon, seine Herrschaft basiert auf dem Prinzip der Angst. Was sich am Sonntagabend auf dem Oktoberplatz in Minsk abgespielt hat, ist alles andere als der Beginn einer farbigen Revolution, wie sie die Ukraine 2004 erlebt hat und die die Machthaber in postsowjetischen Staaten so sehr fürchten. Aber die Demonstranten haben gezeigt, dass sie sich nicht mehr so leicht einschüchtern lassen. Umgekehrt verweist die brutale Reaktion der Staatsmacht vor allem auf die Unsicherheit eines Regimes, das allem Anschein nach um den Erhalt seiner Macht bangt.

Die Strategie der Europäischen Union gegenüber Weißrussland ist spätestens mit dieser Wahl gescheitert. Zuletzt hatte die EU versucht, Europas letzten Despoten zur Demokratisierung seines Landes zu überreden und ihn mit Angeboten zu ködern. Der Zeitpunkt schien günstig. Das Verhältnis zwischen Minsk und Moskau ist merklich abgekühlt, gleichzeitig reiste im November zum ersten Mal seit 15 Jahren ein deutscher Außenminister nach Minsk. Drei Milliarden Euro würde das Land von der EU bekommen, falls die Wahlen ehrlich verlaufen würden, hatte Polens Außenminister Sikorski dem autoritären Staatschef beim gemeinsamen Besuch mit Westerwelle zugesagt. Der Präsident versprach freie Wahlen – und brach das Versprechen nicht nur, sondern ging härter gegen die Opposition vor als je zuvor.

Die junge weißrussische Bürgerbewegung reagierte mit Befremden auf das absurde Angebot der Europäer an den Despoten. Statt das direkte Gespräch mit Lukaschenko zu suchen, sollte die EU sich vielmehr darum bemühen, die Zivilgesellschaft im Land stärker zu unterstützen. Der Wahlabend hat auch die Tragik einer Generation gezeigt, die sich als Teil Europas fühlt und sich doch von Europa im Stich gelassen glaubt.

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