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Der alte und wahrscheinlich auch neue Premierminister Polens, Donald Tusk.

© Reuters

Nach der Wahl in Polen: Deutschland sollte Sorgen des Nachbarn ernster nehmen

Der Wahlsieg des Liberalen Donald Tusk hat gezeigt: Polens Wähler befürworten einen proeuropäischen Kurs. Jetzt ist es an der Zeit, dass Europa und besonders Deutschland dem Partner ebenfalls entgegen kommen.

Angela Merkel kann aufatmen. Sie wird nicht mit einem eisernen Lächeln einen Mann auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt begrüßen müssen, der ihr Großmachtambitionen unterstellt. Denn mit Ressentiments gegen Deutschland lassen sich in Polen keine Wahlen mehr gewinnen. Dem Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski haben bei der Parlamentswahl am Sonntag nationalistische Töne nichts genützt. Mit Donald Tusk ist ein Regierungschef im Amt bestätigt worden, der für eine Normalisierung im deutsch-polnischen und für einen Neuanfang im polnisch-russischen Verhältnis steht.

Ausgerechnet der eher farblose Spitzenkandidat der Bürgerplattform (PO) hat es geschafft, als erster Premier Polens seit der friedlichen Revolution von 1989 wiedergewählt zu werden. Vielleicht ist erst damit die Nachwendezeit wirklich vorbei. Tusk ist es bisher gelungen, Polen weitgehend unbeschadet durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise zu steuern. Als die anderen Länder Europas bereits in eine tiefe Rezession rutschten, erlebte das Land einen wirtschaftlichen Boom.

Nach einem ereignislosen, uninspirierten Wahlkampf lagen Tusk und Kaczynski in den Umfragen am Schluss überraschend Kopf an Kopf. Aber gerade die junge, urbane Generation im neuen Polen kann mit Kaczynskis Nationalkonservatismus und strengem Katholizismus nur wenig anfangen. Eine echte Alternative zur Bürgerplattform fehlt für diese Wählergruppe.

So lässt sich auch der Überraschungserfolg der Protestpartei des ehemaligen PO-Politikers Palikot erklären, der sich gegen den starken Einfluss der Kirche im Staat wendet. Kaczynski wiederum holte einen großen Teil seiner Stimmen in den ländlichen Regionen, in denen die katholische Kirche eine große Rolle spielt und die vom Wirtschaftsboom kaum profitieren konnten. Es bleibt das Paradox, dass diese Regionen zwar durchaus Vorteile durch den EU-Beitritt Polens hatten, viele Menschen dort der EU aber weiter skeptisch gegenüberstehen.

Mit der Bestätigung der bisherigen Regierung würdigten die Wähler letztlich auch deren proeuropäischen Kurs. Seit dem Amtsantritt Tusks vor vier Jahren wird das Land innerhalb der EU nicht mehr als notorischer Neinsager wahrgenommen, wie es noch unter Premier Jaroslaw Kaczynski der Fall war. Tusks Regierung war bestrebt, konstruktiv in Europa mitzuarbeiten und dadurch von den anderen EU-Staaten als verlässlicher Partner ernst genommen zu werden. Trotz der Schuldenkrise und der immensen Schwierigkeiten, in die diese die Euro-Länder gebracht hat, blieb der Premier seinem Bekenntnis zum Euro und zu Europa treu. Allerdings verfolgen auch polnische Diplomaten die jüngsten Entwicklungen mit großer Sorge. Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung der Euro-Staaten könne dazu führen, dass Polen an den Rand gedrängt wird, so die Befürchtung in Warschau.

Was das bedeuten kann, bekommen polnische Politiker bereits jetzt zu spüren: Obwohl Polen derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sitzen polnische Minister bei wichtigen Entscheidungen – etwa den Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe – nicht einmal als Zuhörer mit am Tisch. Schlimmstenfalls drohe ein gespaltenes Europa, warnen polnische Diplomaten. Europa und besonders Deutschland täten gut daran, diese Sorgen ernst zu nehmen.

Polen ist in den vergangenen vier Jahren Deutschland weit entgegengekommen. Die von nationalistischen Tönen geprägte Rhetorik der Konfrontation ist einem unaufgeregten Pragmatismus gewichen. Auch die Bundesregierung bemüht sich um eine verstärkte Zusammenarbeit. Wie gut diese funktionieren kann, zeigt das gemeinsame Vorgehen Deutschlands und Polens gegenüber der Ukraine und Weißrussland. Hier ist es den Außenministern Westerwelle und Sikorski gelungen, mit einer Stimme zu sprechen und so ein starkes politisches Signal zu setzen. Die östliche Nachbarschaft ist allerdings derzeit der kleinste gemeinsame Nenner der Außenpolitik beider Länder. Dabei darf es nicht bleiben. Bereits im Verhältnis zu Russland wird sich zeigen, wie ernst es beiden Seiten mit der Zusammenarbeit wirklich ist.

Doch der wahre Testfall für die deutsch-polnische Zusammenarbeit ist die Europapolitik. Warum nicht das in die Jahre gekommene „Weimarer Dreieck“ endlich mit Leben füllen und Tusk zu den regelmäßigen Treffen von Merkel und Sarkozy hinzubitten? Dass Polen sich innerhalb Europas nicht erneut an den Rand gedrängt fühlt, liegt auch im deutschen Interesse. Es ist an der Zeit für eine strategische Partnerschaft – zwischen Deutschland und Polen.

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