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Meinung: Nach innen und außen ein Verlust

Im Bundestag wachsen kaum außenpolitische Experten nach – ausgerechnet jetzt.

Hans-Ulrich Klose ist 75, Ruprecht Polenz ist 66 Jahre alt. Beide sind seit langem Bundestagsabgeordnete, beide werden 2013 nicht mehr kandidieren. Sie finden, es sei Zeit, Jüngeren Platz zu machen.

Das Fehlen dieser beiden Politiker wird die Kompetenz des Parlaments in einem zentralen Punkt schwächen. Polenz ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, Klose sein Stellvertreter. Beide sind Stimmen der Besinnung und der Nachdenklichkeit, die in ihren eigenen Fraktionen und im Ausland gehört werden. Natürlich werden sie Nachfolger haben. Aber diese Aufgabe ist eine, in die man hineinwachsen muss. Es geht um nicht weniger als darum, den Bezug zwischen den nationalen Interessen und dem Zusammenleben Deutschlands mit seinen Nachbarn und der Welt im Blick zu behalten.

Wie wichtig das wäre, spüren wir gerade in diesen Wochen und Monaten, in denen wir uns auf fast schon fahrlässige Weise daran gewöhnt haben, andere Nationen vorwiegend unter dem Gesichtspunkt ihrer Zahlungsfähigkeit einzuordnen und daraus vermeintliche Charaktereigenschaften eines Volkes abzuleiten. Das aber ist ein sehr eingeengtes Verständnis von Bonität. Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses sind prädestiniert, eine andere Sicht der Dinge zu wagen, ihre Kolleginnen und Kollegen einzuladen, nicht von Berlin aus auf die anderen, sondern von außen nach innen zu schauen und Verständnis zu wecken.

Abgeordnete können in dieser Aufgabe nicht nur kluge Ratgeber der Regierung werden und der Diplomatie Wege ebnen, sie können auch Einseitigkeiten entgegentreten und Denkanstöße geben. 1994 taten das zum Beispiel die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble und Karl Lamers mit ihrem Thesenpapier über ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, als dessen Kern sie Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten sahen. 2003 trat Klose der USA-Schelte des Bundeskanzlers entgegen, was ihm Gerhard Schröders Bannstrahl einbrachte („Uli, mit dir bin ich fertig“). Ruprecht Polenz wagte es mit dem Essay „Warum die Türkei in die EU gehört“, die Meinung der Unionsfraktion zu hinterfragen.

Natürlich sind Polenz und Klose nicht die einzigen kompetenten Außenpolitiker des Bundestages. Als kommende Talente gelten bei der Union Eckart von Klaeden, der allerdings als Staatsminister in das Bundeskanzleramt gewechselt ist, und Philipp Mißfelder, bei der SPD Rolf Mützenich, bei den Liberalen Elke Hoff, bei der Linken Jan van Aken, bei den Grünen Omid Nouripour.

Aber ein Engagement für Außenpolitik passt nicht in moderne Politikerlaufbahnen, die ja oft vom Beginn an mit dem Ziel „Berufspolitiker“ eingeschlagen werden. Auslandserfahrungen kosten aus dem Blickwinkel der Karrieristen wertvolle Jahre, die man besser für Ochsentour und Parteiarbeit verwendet. In dem Maße jedoch, in dem Europa enger verflochten und die Welt komplizierter wird, braucht man nicht weniger, sondern mehr Abgeordnete mit Interessen über den Tellerrand hinaus. Und sage niemand, den Bürger könne man mit Außenpolitik nicht locken. Sowohl Hans-Ulrich Klose als auch Ruprecht Polenz wurden immer direkt gewählt.

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