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Meinung: Nach Milosevics Verhaftung: Ohne Beweisnot

Es sind ehemalige Weggefährten, die Serbiens prominentesten Untersuchungshäftling Slobodan Milosevic belasten. Michalj Kertes, früher Zolldirektor und enger Vertrauter des Autokraten, ist der Hauptbelastungszeuge.

Es sind ehemalige Weggefährten, die Serbiens prominentesten Untersuchungshäftling Slobodan Milosevic belasten. Michalj Kertes, früher Zolldirektor und enger Vertrauter des Autokraten, ist der Hauptbelastungszeuge. Er weiß, wie jahrelang Gelder aus den Zolleinnahmen abgezweigt wurden. Die serbischen Justizbehörden haben ein halbes Jahr Zeit, um den Fall Milosevic wasserdicht für eine Gerichtsverhandlung vorzubereiten. Neben Amtsmissbrauch und Korruption wird vermutlich auch die Anklage wegen der Auftragsmorde gegen politische Opponenten auf den Tisch kommen. Es ist allerdings fraglich, ob es am Ende zum Prozess in Belgrad kommt. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Milosevic schon bald an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert wird.

Zum Thema Online Spezial: Wie geht es weiter mit Milosevic? Dafür sprechen mehrere Gründe: Der Westen wird weiterhin auf die Kooperation mit dem UN-Gericht drängen. Der Regierung in Belgrad könnte eine Abschiebung des Untersuchungshäftlings sogar entgegenkommen. Serbiens Justiz ist im Umbruch, und der Rechtsstaat erst im Aufbau. Die Justizbehörden werden mit dem komplexen Fall überfordert sein, und einen Flop will sich niemand leisten. Und die Aufarbeitung der schmerzlichen Vergangenheit möchten noch immer viele lieber dem Tribunal im fernen Den Haag überlassen. Schließlich könnte Milosevic selbst am Ende Den Haag der tristen Zelle in Belgrad vorziehen. Zu Hause ist die Duschzelle das Maximum an Luxus, in Den Haag locken Anstaltsbibliothek, Schwimmbad und Satellitenfernsehen in der Zelle.

Im Gefängnis hat der ehemalige Autokrat ohnehin den Status des Unberührbaren verloren. Eine Auslieferung ist in der öffentlichen Diskussion schon heute kein Tabu mehr. Der Form nach soll das jugoslawische Bundesparlament demnächst ein Gesetz verabschieden, in dem die "Zusammenarbeit mit dem fremden Gericht" geregelt wird. Aber selbst in Regierungskreisen findet die Auffassung immer mehr Anhänger, wonach das UN-Tribunal spätestens seit der Rückkehr Jugoslawiens in die Uno gerade kein "fremdes Gericht" mehr ist.

Die Ermittler von Den Haag haben bei der Erstellung der Anklage ein ähnliches Problem wie die serbische Justiz: Von Milosevic gibt es kaum schriftliche Dokumente. Im Kosovokrieg war die Befehlskette einfacher zu belegen, denn die Provinz wurde damals noch von Belgrad kontrolliert. Im Fall von Bosnien und Kroatien war die Spur schwieriger zurückzuverfolgen. Milosevic vertrat gegenüber verblüfften Diplomaten immer wieder die Auffassung, er habe mit den Kriegen nichts zu tun. Es war zwar nie ein Geheimnis, dass etwa der Sold der Offiziere in der bosnischen Serbenrepublik bis vor kurzem noch von Belgrad aus bezahlt wurde. Was fehlte, waren schriftliche Belege.

In der Zelle in Belgrad plaudert der prominente Häftling jetzt erstmals aus der Schule. Mit der selbst angefertigten Verteidigungsschrift für das Korruptionsverfahren in Belgrad hat sich Milosevic zu rechtfertigen versucht, sich aber gleichzeitig für das Verfahren wegen Kriegsverbrechen in Den Haag belastet: Er habe die Zolleinnahmen nicht etwa in die eigene Tasche gesteckt, sondern damit Waffen für die Serben in Bosnien und Kroatien gekauft.

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