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Schock und Trauer nach der Tat in Wittenau.

© dapd

Nach Mord am U-Bahnhof Wittenau: Berlin braucht geschlossene Heime für straffällige Jugendliche

An Gewalt darf sich eine Stadtregierung, die ihren Auftrag eines friedlichen Zusammenlebens ernst nimmt, nicht gewöhnen. Berlins Senat muss endlich geschlossene Heime für straffällige Jugendliche einrichten.

Der Stich war tödlich, der Anlass nichtig. Ein Schneeball reichte, damit zwei Jugendgruppen aufeinander einschlugen und einstachen. Das Opfer: 17 Jahre alt – der mutmaßliche Täter erst 15. Er ist schon vielfach aufgefallen; bei der Justiz gilt er als Kandidat für die Intensivtäterdatei. Wieder eine Bluttat, in aller Öffentlichkeit, auf einem U-Bahnhof: Das beunruhigt nicht nur die Fahrgäste, die an diesem Ort des öfteren Revierkämpfe erleben müssen. Wird es immer schlimmer mit der Gewalt auf Berlins Straßen?

Die Polizei sieht dafür wenig Belege. Die Kriminalität unter Jugendlichen geht zurück, auch die Zahl der sogenannten Intensivtäter stagniert. Offenkundig wirkt das inzwischen bundesweit als Erfolg gefeierte Berliner Programm gegen Intensivtäter. Einige mögen den Sprung in ein straffreies Leben geschafft haben, vor allem aber sitzt rund die Hälfte der Intensivtäter in Haft. Hier hat der Rechtsstaat gezeigt, dass er schneller, härter und konsequenter als früher straft.

Doch Erleichterung stellt sich nicht ein, weil sich die Realität anders anfühlt – und es regelmäßig brutale Attacken, spektakuläre Überfälle und demonstrativen Drogenhandel gibt. Völlig verrohte Jugendliche quälen ein gleichaltriges Mädchen – in einer therapeutisch betreuten Einrichtung. „Bude ohne Betreuung“, wenn Grenzen eines Konzepts schlagend dargelegt werden, dann allein durch diesen Projektnamen. Dass dieselben Jugendlichen mitten auf der bevölkerten Wilmersdorfer Straße eine Frau halb tot schlugen, kommt hinzu. Zugleich halten angeblich 13-jährige Drogendealer die Justiz zum Narren, weil sie nach jeder Festnahme freigelassen werden müssen.

Auch die Statistik trägt kaum zur Beruhigung bei. Denn den insgesamt sinkenden Deliktzahlen bei Jugendlichen steht entgegen, dass eine kleine Gruppe immer brutaler zuschlägt. Außerdem kann man bezweifeln, ob junge Menschen friedlicher geworden sind: Die Statistik wird allein dadurch positiver, dass es weniger Jugendliche gibt.

Wo aggressive Jungs kleinste Anlässe zum Streit suchen, können die Berliner froh sein, dass es nicht häufiger zu tödlichen Vorfällen kommt. Doch an Gewalt darf sich eine Stadtregierung, die ihren Auftrag eines friedlichen Zusammenlebens ernst nimmt, nicht gewöhnen. Dabei geht es nicht um Gesetzesänderungen; höhere Strafen können solche Taten nicht verhindern. Hilft ein Messerverbot, wenn der 17-Jährige mit einem simplen Küchenmesser erstochen wurde? Zudem muss bei straffälligen Jugendlichen auch weiterhin der Erziehungsgedanke gelten. Umso notwendiger ist, mehr Beamte an Brennpunkten einzusetzen und alles schon jetzt Mögliche zu tun, um gefährliche Täter aus dem Verkehr zu ziehen. Der 15-Jährige kommt bis zum Prozess nach Brandenburg in ein Heim, aus dem er jederzeit abhauen kann. Der Senat will zwar endlich ein geschlossenes Heim einrichten – aber die Plätze gibt es immer noch nicht.

Wer bei der Gewaltdebatte reflexartig vor migrantischen Straftäter warnt, darf diesmal entspannen: Der Messerstecher von Wittenau ist Bio-Deutscher. Beruhigen kann das niemanden.

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