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Nach Neonazi-Terror: Der Verfassungsschutz wird zu hart kritisiert

Die Frage, wie der braune Terror 13 Jahre lang scheinbar ungestört eine Blutspur durch die Republik ziehen konnte, hat zu Kritik am Verfassungsschutz geführt. Doch wer sonst soll in die fanatischen Milieus hineinblicken?

Von Frank Jansen

Sie nannten sich „Nationalsozialistischer Untergrund“ und konnten mehr als 13 Jahre lang eine Blutspur durch die Republik ziehen. Obwohl, wie sich nun herausstellt, Polizei und Verfassungsschutz mehr hätten wissen und vielleicht schwere Taten hätten verhindern können. Die Frage, wie das möglich war, der braune Terror und die ungenügende Reaktion der Behörden, mündet in diesen Tagen vor allem in Kritik am Verfassungsschutz, eine Vertrauenskrise wird beschworen. Ein Teil der Medien schürt eine Stimmung, die Angst macht – vor dem Nachrichtendienst fast genauso wie vor braunen Terroristen.

Aber ist das tatsächlich so, dass der Bürger vor dem Verfassungsschutz geschützt werden muss – oder doch auch der Verfassungsschutz vor seinen Kritikern?

Das lässt sich leichter beantworten, als die Aufregung vermuten lässt. Ohne die 17 Behörden des Verfassungsschutzes wäre die innere Sicherheit Deutschlands erheblich stärker durch Extremisten und Terroristen gefährdet, als das bislang der Fall ist. An der Notwendigkeit der Existenz eines Inlandsnachrichtendienstes kann es angesichts der permanenten Bedrohung durch militante Neonazis, Autonome, Islamisten und andere ausländische Extremisten sowie durch ausländische Spione keinen ernsthaften Zweifel geben. Wer sonst sollte in die fanatischen Milieus hineinblicken und vor den Umtrieben politisch motivierter Irrer warnen? Die Polizei? Das wollen viele Kritiker des Verfassungsschutzes garantiert auch nicht. Eine Polizei mit geheimdienstlicher Kompetenz und somit drastisch ausgeweiteten Befugnissen, ein deutsches FBI – eine solche Idee würde rasch in der Öffentlichkeit verdammt.

Die Polizei muss sich im Fall des Jenaer Terror-Trios ebenfalls Fragen nach Versäumnissen gefallen lassen. Die offenbar nachlässige Razzia im Januar 1998 in Jena, nach der die Bombenbastler untertauchen konnten, steht mit am Anfang dieser unglaublichen Geschichte. Auch von weiteren Pannen ist die Rede. Dass der Verfassungsschutz deutlich mehr Dresche abbekommt, lässt sich vermutlich auch mit latent schwelenden Ressentiments gegen geheim operierende Behörden an sich erklären, die obendrein V-Leute anwerben. Fair ist das nicht. Notwendig erscheint vielmehr, dass Polizei und Verfassungsschutz die von ihnen zu verantwortenden Fehler im Fall des Jenaer Trios so rasch wie möglich aufklären. Gleichzeitig muss darüber nachgedacht werden, wie die Kooperation zwischen den Behörden, auf jeder Ebene, verbessert werden kann.

Die jetzt von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vorgeschlagene Zentraldatei zur Erfassung rechtsextremer Gewalttäter könnte ein richtiger Schritt sein. Verfassungsschutzbehörden und Polizei könnten erheblich schneller als bisher auf Daten zugreifen, die sonst jedes Bundesland für sich sammelt. Eine bessere Vernetzung, wie sie im Kampf gegen Al Qaida schon funktioniert, könnte auch die Gefahr, dass bald wieder eine braune Terrorgruppe unerkannt durchs Land zieht, deutlich mindern.

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