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Nachrüsten des Provisoriums: Die Zwischenlagerung von Atommüll ist hoch gefährlich

Der Inventarbericht zum Atommüll in der Asse ruft selbst bei hart gesottenen Nuklearexperten ein Schaudern hervor. Und es könnten auch weitere nicht deklarierte und hoch gefährliche Stoffe in dem Nukleargrab lauern.

Der Inventarbericht zum Atommüll in der Asse ruft selbst bei hart gesottenen Nuklearexperten ein Schaudern hervor. Das vergangene Woche veröffentlichte Papier bestätigt, dass in dem nur für leicht- und mittelradioaktive Abfälle genehmigten Versuchslager jahrelang hoch gefährlicher Atommüll versenkt wurde, darunter 28,1 Kilogramm Plutonium. Beim mittelaktiven Abfall ist die Menge elfmal höher als ursprünglich angenommen: Statt der deklarierten 1293 Spezialfässer, die in einer besonderen Kammer lagern sollten, wurden 14 779 Gebinde geortet, die in acht der 13 unterirdischen Salzkammern zwischen dem leicht radioaktiven Müll herumliegen. Da die Radioaktivität mit der Zeit abnimmt, sind davon heute noch 8465 Fässer als mittelaktiv einzustufen.

Der Bericht vermerkt dazu, dass „durch die Ablieferer gegen die Annahmebedingungen verstoßen wurde“ – offenbar ging es in der Asse zu wie bei der neapolitanischen Müllmafia. Die anfangs üblichen „Fassbegleitkarten“ sind verloren gegangen und „konnten daher nicht auf Plausibilität geprüft werden.“ In späteren Zeiten verwendete Begleitscheine liegen zwar vor, für das korrekte Ausfüllen waren jedoch alleine die Absender verantwortlich. Die Autoren des Inventarberichts empfehlen deshalb, sich nicht auf die Angaben zu verlassen. Im Klartext heißt das: Es könnten auch weitere nicht deklarierte und hoch gefährliche Stoffe in dem Nukleargrab lauern.

Ursprünglich sollte die Asse das Pilotprojekt für die Endlagerung des hochradioaktiven Abfalls aus deutschen Kernkraftwerken sein – diese Generalprobe ist grandios gescheitert. Jetzt stellt sich die Frage, wie es um die Endlagerung für das richtig gefährliche Zeug steht.

In Gorleben, dem einzigen erkundeten Endlagerkandidaten, besteht seit 2000 Forschungsstopp. Unter dem niedersächsischen Salzstock soll eine gefährliche Erdgasblase liegen, darüber ist angeblich die Decke nicht stabil. Weil die Landbesitzer im Wendland murren, will die Bundesregierung die Enteignung wieder im Gesetz verankern. Der offizielle Zeitplan, 2035 mit der Endlagerung zu beginnen, ist trotzdem illusorisch.

Im aktuellen Energiekonzept der Bundesregierung kommt das Wort „Endlager“ nicht vor. Doch die darin angekündigte Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bedeutet eine Zunahme des hochradioaktiven Atommülls um 25 Prozent auf insgesamt 21 600 Tonnen. Der strahlende und giftige Abfall muss für mindestens 200 000 Jahre sicher aus der Biosphäre entfernt werden – rein rechnerisch reicht die Strahlung aus, um alle höheren Lebensformen der Erde auszulöschen. Statt einer Agenda für das Jahr 202010 gibt es bislang jedoch nur ein Provisorium: Die so genannte Zwischenlagerung. Hoch radioaktive Nuklearabfälle heizen sich ständig auf, deshalb spricht man neuerdings von „wärmeentwickelnden Abfällen“. Dabei handelt es sich um abgebrannte Brennstäbe aus Kernkraftwerken und um in Glaskapseln eingeschmolzene Rückstände aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und Großbritannien.

Das rund 400 Grad heiße Material lagert in drei zentralen und zwölf dezentralen Zwischenlagern, die direkt neben den Kernkraftwerken errichtet wurden. Die Mehrzahl der Zwischenlager besteht aus einfachen Stahlbetonhallen, in denen die Abfallbehälter dicht an dicht stehen. Diese Stahlzylinder, etwa der Marke Castor, halten zwar dem Aufprall eines Kleinflugzeuges oder 30 Minuten bei 800 Grad problemlos Stand. Bei einem Angriff mit panzerbrechenden Waffen oder dem gezielten Absturz eines Passagierflugzeuges könnten die Castoren jedoch zu Bruch gehen und ihren radioaktiven Inhalt freisetzen, wie neuere Berechnungen ergaben. Auch können die Temperaturen bei einem Kerosinbrand durchaus 1100 Grad erreichen, was die Behälter angeblich 15 Minuten lang aushalten. Möglicherweise wird ein Feuer jedoch, etwa aufgrund Explosionsgefahr und ausgetretener Radioaktivität, nicht so schnell unter Kontrolle gebracht. Dann weiß niemand, nach wie vielen Stunden die Castoren bersten.

Wie es derzeit aussieht, wird die Zwischenlagerung ein extrem langlebiges Provisorium sein. Eine sicherheitstechnische Nachrüstung dieser Anlagen ist deshalb unverzichtbar.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle. Foto: J. Peyer

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