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Naher Osten: Im Visier

Über die Zukunft des Nahen Ostens entscheiden die USA und der Iran, nicht Israel.

Der Unterschied zwischen wichtig und wirklich wichtig kann lebensentscheidend sein. Ist es wichtig, dass Schimon Peres Israels neuer Präsident ist? Na klar. Einer wie er – Friedensnobelpreisträger, international angesehen, Politiker von Format – wird das Image des Landes verbessern. Ist es wichtig, dass Ehud Barak zum neuen Chef der israelischen Arbeitspartei gewählt wurde? Na klar. Der ehemalige Ministerpräsident und hochrangige Militär hat an Erfahrung gewonnen. Ihn treibt Pragmatismus, nicht Ideologie. So weit zu den guten Nachrichten von gestern.

Die schlechte Nachricht: Weder die eine noch die andere Personalentscheidung ist wirklich wichtig. Denn der Schlüssel für die Lösung der meisten Nahostprobleme liegt nicht in Jerusalem, Tel Aviv, Gaza oder Ramallah, sondern in Washington und Teheran. Die amerikanisch-iranische Rivalität wirkt sich immer intensiver auf immer mehr Konflikte in der Region aus. Libanon, Irak, Afghanistan, Gaza: Überall ziehen George W. Bush und Mahmud Ahmadinedschad an den Strippen. Die große Explosion steht womöglich erst noch bevor.

Dass die schiitische Hisbollah, vom Iran unterstützt, den Libanon destabilisiert, ist bekannt. Dass Teheran ein Interesse daran hat, das Chaos im Irak zu schüren, um die Amerikaner zu quälen, dürfte ebenfalls als gesichert gelten. Auch die radikalislamische Hamas, die aktuell im Gazastreifen wütet, lebt von den Geldern der Mullahs. Relativ neu dagegen ist der Vorwurf der USA, der Iran würde Waffen an die afghanische Taliban liefern. Dafür gebe es „unwiderlegbare Beweise“, sagte jetzt US-Staatssekretär Nicolas Burns – und stieß entsprechende Drohungen aus.

Die freilich prallen am iranischen Präsidenten ab. Bis Ende des Monats wird sein Land, nach Einschätzung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), über 3000 Zentrifugen verfügen. Diese Menge reicht aus, um innerhalb eines Jahres eine Atombombe zu produzieren. „Wir sind in der Endphase“, triumphiert Ahmadinedschad und fügt mit Blick auf den UN-Sicherheitsrat hinzu: „Und wenn sie auf dem falschen Weg weitermachen wollen, können sie nur noch einen Schritt machen. Der nächste Schritt wird mit Gottes Hilfe keinen Einfluss auf den Iran mehr haben.“ Solche Sätze sind unmissverständlich. Sie nicht ernst zu nehmen, wäre fahrlässig.

Töricht indes wäre die Hoffnung, ohne den fatalen Einfluss des Iran lösten sich die Probleme in der Region in Luft auf. Die eine Kraft, die hinter vielen Übeln steckt, nährt diese nicht allein. Das muss die US-Administration begreifen. Die Versuchung ist groß, sich in eine konfliktfreie Welt hineinzuträumen, wenn nur die böse Krake ausgeschaltet würde.

Die Wahlen von Peres und Barak sind wichtig für Israel. Für das große Ganze sind sie ebenso unerheblich wie das regelmäßig ergebnislos tagende Nahostquartett und die „tiefe Besorgnis“ der EU. Über die Machtfrage entscheiden allein Bush und Ahmadinedschad. Tröstlich ist das nicht. Zuversichtlich stimmt es auch nicht. Ändern lässt es sich am allerwenigsten.

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