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Meinung: Nahost-Konflikt: Arafats Fehler

Ein halbes Jahr nach Beginn der "Al Aqsa-Intifada" gibt sich niemand mehr in Israel der Illusion hin, dass Frieden in absehbarer Zeit möglich sein wird. Laut der jüngsten Meinungsumfrage ist gerade noch ein gutes Drittel der Bevölkerung der Meinung, man könne irgendwann doch noch zu einem Abkommen gelangen, fast zwei Drittel mögen auch das nicht mehr glauben.

Ein halbes Jahr nach Beginn der "Al Aqsa-Intifada" gibt sich niemand mehr in Israel der Illusion hin, dass Frieden in absehbarer Zeit möglich sein wird. Laut der jüngsten Meinungsumfrage ist gerade noch ein gutes Drittel der Bevölkerung der Meinung, man könne irgendwann doch noch zu einem Abkommen gelangen, fast zwei Drittel mögen auch das nicht mehr glauben.

Vor und nach der Wahl Ariel Scharons zum Regierungschef haben viele prognostiziert, dass nun eine militärische Eskalation unvermeidlich werde. Genau das hat sich nun bewahrheitet. Scharon hat bisher mit fast staatsmännischer Zurückhaltung regiert und reagiert. Doch jetzt scheint sein Geduldsfaden gerissen zu sein - und gleiches gilt auch für die israelische Öffentlichkeit.

Der Tod der zehnmonatigen Shalhevet Pass per Kopfschuss eines palästinensischen Scharfschützen war für die israelische Öffentlichkeit zu viel. Dass fanatische Siedler in Hebron Ziel palästinensischer Attacken sind und dabei getötet werden, hat man im israelischen Kernland als Preis verstanden, den diese "Groß-Israel-Ideologen" zu zahlen bereit sind. Doch der gezielte Todesschuss auf ein Baby ist für die israelische Öffentlichkeit der entscheidende Schritt über die Grenze des Tolerierbaren hinaus.

Scharon wollte aus politischen Gründen bis Anfang nächster Woche mit der Vergeltung warten. Doch durch die nachfolgende Serie von Terroranschlägen in Israel wurde er gezwungen, zumindest ein deutliches Zeichen zu setzen. Vielleicht wird er nun die sich bietende Gelegenheit nutzen, den starken Mann zu markieren. Immerhin haben ihn die durch seinen Vorgänger Ehud Barak total verunsicherten Israelis dafür mit großer Mehrheit gewählt. Die Raketenangriffe israelischer Kampfhubschrauber auf sorgfältig ausgewählte Ziele in Ramallah und Gaza sind eine letzte Warnung an Arafat. Aus israelischer Sicht waren dies nur "punktuelle Aktionen mittels Pinzetten", nicht mehr; keinesfalls eine gewollte Eskalation der Gewalt. Wenn Scharon diese anstrebt, dann steht sie noch bevor. Die richtige Vergeltung ist noch erfolgt.

Rhetorisch hat Scharon bereits zurückgeschossen - und zwar mit voller Kraft. Doch sein Außenminister Schimon Peres wagte erstmals Widerspruch: "Arafat ist nicht der Feind, sondern immer noch ein Partner, der Fehler macht", meinte der Friedensnobelpreisträger, der sich gleichzeitig für die Hubschrauberattacken aussprach. Sein Vorgänger Shlomo Ben-Ami, der der Scharon-Regierung fern geblieben war, stimmte den Angriffen ebenfalls zu - und mahnte gleichzeitig, dass nun politische Schritte zu unternehmen seien. Doch eine politische Antwort auf die Eskalation, so Ben-Ami, sei bei Scharon nicht zu entdecken.

In der Tat: Politische Lösungen scheint Scharon nicht im Angebot zu haben, doch politische Erfolge hat er in dieser Woche - aus seiner Sicht - dank der Ermordung des Siedler-Babys, der Selbstmordattentate und Anschlagversuche durchaus errungen. Auch die Bush-Regierung, die sich anfangs um mehr Neutralität als die Clinton-Administration bemühte, hat klar Stellung bezogen. George W. Bush hat persönlich und über alle möglichen diplomatischen Kanäle Arafat und die Palästinenser für die Eskalation der Gewalt allein verantwortlich gemacht.

Wenn Arafat Scharon wirklich so schnell wie möglich aus dem Sattel heben will, dann hat er dieses Ziel mehr als nur verfehlt. Er hat vielmehr genau das Gegenteil bewirkt: Jede Eskalation der Gewalt stützt und stabilisiert Scharons Macht.

C. A. Landsmann

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