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Meinung: Nahost-Konflikt: Gewalt - und wem sie nutzt

Im Heiligen Land herrscht zu Ostern 2001 Krieg. Ein Kleinkrieg zwar "nur", aber Krieg.

Im Heiligen Land herrscht zu Ostern 2001 Krieg. Ein Kleinkrieg zwar "nur", aber Krieg. Es wird geschossen, bombardiert, und es sterben täglich Menschen, Palästinenser und Israelis.

Ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen. Im Gegenteil. Der Alltag vor allem in den palästinensischen Gebieten und für die jüdischen Siedler heißt Eskalation. Weniger Schüsse, mehr Geschosse; anstatt Hecken- und Scharfschützen nun Mörser und Raketen. Immer neue, immer brutalere Taktiken auf beiden Seiten, eben Eskalation.

Die Frage, wer das alles angefangen hat, ist längst unwichtig - wer all dies stoppen wird, umso drängender. Doch eine Antwort fällt schwer, denn die Kämpfe nutzen den Anführern auf beiden Seiten politisch, ja sie garantieren ihre Machterhaltung.

Die Extremisten auf beiden Seiten wollen die Eskalation. Wenn Jassir Arafat seine "Force 17" keine israelischen Siedlungen beschießen lässt, dann schicken die islamistischen Fanatiker ihre Selbstmordattentäter in israelische Städte - und sammeln gleichzeitig die "palästinensische Straße" hinter sich. Wenn Ariel Scharon seine Armee keine palästinensischen Stellungen bombardieren lässt, dann werden Siedler noch eher zu den Waffen greifen und ihre parlamentarische Repräsentanten wieder einmal versuchen, die Regierung zu stürzen.

Es gibt kein Patentrezept, um diesem mörderischen Kreislauf zu entkommen. Doch wenn überhaupt eine Chance besteht, dann kann sie nur mittels Verhandlungen auf jeder denkbaren Ebene und ohne Tabu-Themen wahrgenommen werden. Doch Scharon weigert sich, zu verhandeln, so lange geschossen wird - und Arafat bricht die Kontakte auf Sicherheitsebene immer wieder ab, wenn Israel Vergeltung übt.

In den letzten Tagen konzentrieren sich Kämpfe und Reden immer mehr auf die Siedlungen - was Jassir Arafat nur Recht sein kann, Scharon aber gefährlich werden kann. Dass diese Siedlungen nach internationalem Recht (der 4. Genfer Konvention) illegal sind, ahnen auch die Israelis. Doch ebenso illegal - und weit verwerflicher - ist es, Zivilisten - auch wenn es Siedler sind - einfach abzuschießen. Wenn die Palästinenser nun dazu übergegangen sind, anstatt auf einzelne Siedlerautos zu feuern, ganze Siedlungen unter Mörserbeschuss zu nehmen, dann mag auch dies rechtlich bedenklich sein. Politisch ist dies hingegen absolut verständlich, weil Gewinn bringend.

Und es bringt Scharon bereits jetzt sichtlich in die Bredouille. Zwar versichert der israelische Regierungschef in der Pose eines besorgten Landesvaters seinen Wählern, er werde die Sicherheit wieder herstellen, doch wie dies geschehen soll, vermag er nicht zu sagen. Der Protestwelle der Reservisten, die mit dem Siedlerschutz überlastet sind (Arafat wird sich ins Fäustchen lachen), vermag auch Scharon nur den Appell, Geduld zu haben, entgegenzusetzen. Konkrete Aussichten auf bessere Zeiten sind von dem Ex-General nicht zu erwarten.

In früheren, ähnlich hoffnungslosen Lagen waren es stets die USA, die Schlimmstes verhinderten und der Vernunft da und dort Vortritt verschafften. Die Bush-Regierung scheint weniger als jede vor ihr dazu gewillt zu sein, die EU hingegen mehr denn je. Die Europäer können zwar kaum allein die Kämpfe beenden, aber sie sollten zumindest nachdrücklich versuchen, Washington seine einzigartige Rolle klar zu machen, den USA für politische Initiativen Rückendeckung zu gewähren und selbst auf beide Seiten mäßigend Einfluss zu nehmen.

Sonst wird auf die umkämpften Weihnachten 2000 und die kriegerischen Ostern 2001 gar die schwärzeste und blutigste Periode für seine Bewohner - gleich ob Israelis oder Palästinenser - folgen, die das Heilige Land je erlebt hat.

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