zum Hauptinhalt
Angela Merkel hat zum wiederholten Male die Sicherheit Israels zu einem Teil der deutschen Staatsräson erklärt.

© dpa

Nahost-Konflikt: In Mithaftung für Israel

Deutschland bindet sich eng an Israel. Aber genau deswegen darf es auch darauf drängen, dass Israel nicht alle Chancen für eine friedliche Lösung ungenutzt verstreichen lässt. Denn die Arabellion ist nicht mehr zu stoppen und was das für die Stabilität der Region bedeutet, ist unsicher.

Der Schlüssel für die Lösung des Nahostproblems, für die Beendigung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern, liegt im Nahen Osten und sonst nirgendwo. Der Verlauf der Gespräche zwischen Angela Merkel und Benjamin Netanjahu und die gemeinsame Pressekonferenz in Berlin haben das noch einmal deutlich gemacht. Die Vereinigten Staaten als Garantiemacht des jüdischen Staates können dabei helfen, die Rahmenbedingungen zu schaffen oder für sie zu bürgen. Deutschland wird sich, aufgrund seiner Geschichte, vor allen anderen Staaten der Welt dabei einbringen. Aber der entscheidende Schritt zu einer dauerhaften Befriedung muss einvernehmlich und gemeinsam durch die Konfliktparteien erfolgen.

Man kann mit guten Gründen an der grundsätzlichen Friedfertigkeit der Absichten des israelischen Regierungschefs zweifeln. Man darf ihm unterstellen, dass er zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist, weil die Stabilisierung des Status quo dank der israelischen Überlegenheit allemal bequemer ist als ein Arrangement mit den Palästinensern und ein damit verbundener Territorialverzicht. Aber an der Richtigkeit eines Satzes, den Netanjahu am Donnerstag bei der Pressekonferenz formulierte, kann man eben überhaupt nicht zweifeln: Die Wurzel des Problems ist nicht die Frage der Siedlungen, sondern die Opposition gegen den Staat Israel in welchen Grenzen auch immer.

Auch in Israel wird heute akzeptiert, dass die Vorstellung einer jüdischen Einwanderung in ein menschenleeres Gebiet eine Lebenslüge war. Jüdische Siedler haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Palästinenser in großer Zahl vertrieben. Die israelische Unabhängigkeitserklärung im Mai 1948 und der ihr folgende erste Nahostkrieg haben aber unumstößliche territoriale und rechtliche Fakten geschaffen. Die jedoch werden von extremen palästinensischen Organisationen wie der Hamas bis heute nicht akzeptiert. Diese im Gazastreifen regierende Organisation will die Existenz Israels so wenig hinnehmen wie der Iran und die von ihm unterstützte Hisbollah, die weite Teile des Libanon beherrscht.

Dass sich Israel gegen eine angedrohte Vernichtung als Staat wehrt, ist eine Selbstverständlichkeit. Das schiere Existenzrecht ist Teil der Staatsräson eines jeden Landes. Indem Angela Merkel jetzt aber zum wiederholten Male die Sicherheit Israels zu einem Teil der deutschen Staatsräson erklärt, verbindet sie das Schicksal Deutschlands unauflöslich mit dem Israels. Ja, sie begibt die deutsche Politik in eine Abhängigkeit von der israelischen Politik. Denn wenn die israelische Politik zum Beispiel unkalkulierbare Risiken eingeht – und die Siedlungstätigkeit im Westjordanland kann man so bezeichnen –, nimmt sie Deutschland in Mithaftung, überträgt einen Teil des Risikos auf Deutschland. Daraus ergibt sich aber wiederum das Recht der deutschen Politik, diese Siedlungstätigkeit und gerade die jüngsten Planungen östlich von Jerusalem scharf zu kritisieren. Der Satz „we agree to disagree“ ist eine freundliche diplomatische Umschreibung eines unversöhnlichen Gegensatzes.

Gerade weil Deutschland sich so eng an Israel bindet, darf es drängen. Bislang hatte Israel die arabischen Diktatoren als verlässliche Partner oder kalkulierbare Gegner. Die Arabellion hat demokratisch unerfahrene Kräfte an die Macht gebracht, die in ihrer Einstellung gegenüber Israel umso wankelmütiger werden, je instabiler ihre innenpolitische Lage ist. Die israelische Reaktion auf diese Unwägbarkeit sollte kein noch tieferer Rückzug in die Wagenburg sein, sondern ein mutiger, wohl kalkulierter Dialogversuch. Die Arabellion ist nicht mehr zu stoppen. Was an ihrem Ende stehen wird – ob Demokratien oder Theokratien –, weiß heute niemand. Dass nun verpasste Chancen aber letzte Chancen für lange Zeit sein können, darf man annehmen. De facto redet Israel auf inoffiziellen Kanälen mit allen, auch mit der Hamas. Jetzt auf provozierenden Siedlungsbau als Trotzreaktion auf die UN-Initiative der Palästinenser zu verzichten, um nach den Wahlen im Januar andere Optionen zu testen, das wäre eine Geste der Vernunft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false