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Meinung: Nahost-Krise: Der Westen und die Spieler

Seit dem 13. Juni herrscht Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern.

Seit dem 13. Juni herrscht Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern. 30 Menschen sind seitdem ums Leben gekommen - erst am Montag starben wieder zwei Israelis und zwei Attentäter bei Selbstmordanschlägen, vier weitere Palästinenser wurden gestern Opfer des Luftangriffs auf Bethlehem. Es ist nur der Angst vor einer erneuten Eskalation zuzuschreiben, dass beide Seiten immer noch so tun, als wäre das Abkommen in Kraft. Denn eine Alternative gibt es nicht, außer: den Krieg.

Scharon und Arafat sind Nationalisten, die mehr wollen als sie haben können, wenn es zu einer friedlichen Lösung des Konflikts kommen soll. Und beide sind gerade dabei, eine nahöstliche Mär zu widerlegen - die Fabel von den Ultranationalisten, die allein den Frieden bringen könnten, weil sie sowohl die eigene Klientel als auch die Kompromissbereiteren hinter sich hätten.

Arafat ist in Camp David an seiner eigenen Kleinmütigkeit gescheitert, als er dem damaligen israelischen Premier Barak die Zustimmung zu einem weitreichenden Kompromiss verweigerte. Und Scharon hat noch nicht erkennen lassen, dass ihm aus der Regierungsverantwortung schon grundlegende Erkenntnisse erwachsen sind: dass seine territorialen Ansprüche in den besetzten Gebieten in eine Sackgasse führen. Und so bleibt eine erklärte aber nicht realisierte Waffenruhe das einzige, an dem sich alle festhalten - den blutigen Fakten zum Trotz.

Doch nicht nur die Gegner sind ratlos - auch Europäer und Amerikaner wissen nicht, was tun. Höflich hat Europa bisher den USA den Vortritt gelassen, verfügt man doch nicht über die notwendigen militärischen Mittel, um Israel im Falle territorialer Kompromisse Sicherheitsgarantien zuzusagen. Und auch die prononciert propalästinensische Position Frankreichs hat bisher eine europäische Rolle im Friedensprozess verhindert. Doch nun hält Frankreich sich spürbar zurück und die Europäer treten mit stärkender Einmütigkeit in Nahost auf.

Diese neue Rolle ist nicht allein dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass es Joschka Fischer nach dem Bombenanschlag zu Pfingsten gelang, einen Flächenbrand zu verhindern. Vielmehr füllen die Europäer ein Vakuum, das die Amerikaner hinterlassen haben. Denn die USA haben sich mit Colin Powells Reise in die Region nur für die Kameras zurückgemeldet. "Er kam, er sah, er ging", meinte ein israelischer Kolumnist über das, was er als die "seltsamste Reise eines ausländischen Würdenträgers, die Israel je erlebt hat" bezeichnete.

Die Bush-Regierung beschränkt sich weiter auf das Mindestprogramm, tut nur das Nötigste, um die Israelis nach Attentaten von einer Eskalation abzuhalten. So haben die EU-Außenminister jetzt vorgeschlagen, eine unabhängige Arbeitsgruppe einzusetzen, die die Waffenruhe und die weiteren Schritte des Mitchell-Programms überwacht. Denn bisher bleibt es Scharon überlassen, festzulegen, wie ruhig es sein muss, um die weiteren Schritte des Abkommens einzuleiten. Doch auch die Amerikaner will man wieder ins Boot holen: Sie sollen das Überwachungsteam leiten.

So richtig die europäische Initiative angesichts der unübersichtlichen Lage ist, so wenig ändert sie am Grundproblem: Arafat und Scharon spielen mit gezinkten Karten. Arafat tut etwas, aber nicht genug gegen die Terroristen - und hält sich die Gewaltoption offen. Genauso wie Scharon, der Gerüchte verbreiten lässt über militärische Einsatzpläne zur Rückeroberung der Autonomiegebiete. Außerdem schafft er weiter Fakten gegen den Frieden: Wenn er schon keine Siedlungen mehr bauen kann, dann will er wenigstens auf israelischem Territorium einen Ring von Dörfern um Gaza ziehen. Gebietsaustausch - wie ihn Baraks Friedensplan vorsah - soll so unmöglich gemacht werden.

So kann man nur weiter auf den löchrigen Waffenstillstand setzen - und eine Politik der kleinen Schritte. Die wird nur Erfolg haben, wenn Europäer und Amerikaner zusammenstehen. Und beide Parteien mit sanftem Druck aufeinanderzuschieben - ohne sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Denn für diplomatische Spiegelfechtereien ist die Lage wahrlich zu ernst.

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