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Meinung: Nahost: Mit Vollgas in die Sackgasse

Ariel Scharon hat sich entschieden: Für den umfassenden Kampf gegen den Terror und damit scheinbar gegen die Koalition mit der gemäßigten Arbeitspartei. Er ist dabei kein hohes Risiko eingegangen: Nach dem 11.

Ariel Scharon hat sich entschieden: Für den umfassenden Kampf gegen den Terror und damit scheinbar gegen die Koalition mit der gemäßigten Arbeitspartei. Er ist dabei kein hohes Risiko eingegangen: Nach dem 11. September und der Terroroffensive am Wochenende braucht er wegen seiner massiven Vergeltung keinen amerikanischen Tadel zu befürchten. Und die Wähler laufen ihm selbst aus dem gegnerischen Parteilager nach, sei es mangels personeller oder und politischer Alternativen.

Zwar soll die gesamte Arbeitspartei-Fraktion einen Austritt aus der Koalition befürworten, doch deren Minister sind ebenso geschlossen gegen ihren eigenen Rücktritt. Und wenn als einziger unter ihnen Außenminister Shimon Peres sich einen solchen überlegt, dann darf man sicher sein, dass ihn Scharon auch diesmal wieder im persönlichen Gespräch auf seine Seite zu ziehen versucht, genauso wie es Peres mit seiner eigenen Partei machen wird. Damit wäre zwar erneut ein kleiner politischer Feuerherd gelöscht, doch der militärische Flächenbrand breitet sich weiter aus.

Den Ausgangspunkt von Kriegen, so wird nicht nur im Nahen Osten immer wieder gepredigt, kennt man sehr genau, deren Ende aber niemals. Wenn Scharon nun der nationalistischen Mehrheit in seiner Regierung nachgibt oder sich gar an deren Spitze stellt, so entspricht er kurzfristig verständlichen Rachegefühlen der breiten Bevölkerung, doch längerfristig können sich aus den heftigen militärischen Schlägen keine politischen Fortschritte ergeben.

Ganz offensichtlich fehlt es Scharon an einem konkreten Konzept zur Konfliktlösung, weshalb er denn auch militärische Reaktionen Priorität einräumt - und so auch seinem entschiedenen Willen zum Machterhalt dient. Er weiß, dass er sich nicht mit den Nationalisten überwerfen darf, die den Sturz seiner Vorgänger aus dem "nationalen Lager" - Schamir und Netanjahu - auslösten, weil diese sich mit ihnen angelegt hatten. Und er weiß auch, dass ihm nur von Netanjahu Gefahr droht, der er am besten mit einer Annäherung an dessen Rechtsaußenkurs vorbeugt.

Scharon ist ohne Zweifel der Sieger der Stunde, Verlierer ist erneut die Hoffnung auf eine friedliche, ausgehandelte Konfliktlösung; Verlierer sind vor allem wieder die Bevölkerungen, die verunsicherten Israelis und die Not leidenden Palästinenser, denen niemand einen Weg aus der Sackgasse zeigen kann, in die sie Arafat aber auch Scharon geführt haben. Selbst ein unverbesserlicher Optimist wie der umstrittene Architekt der Osloer Verträge Yossi Beilin verbindet deshalb seine Hoffnung mit warnender Vorsicht: Noch nie war ein israelisch-palästinensischer Frieden möglicher, aber auch weiter entfernt als jetzt.

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