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Meinung: Nahost: New York liegt auch am Jordan

Es gibt wenige Tage, an denen gleich zwei gute Botschaften aus dem Nahen Osten kommen: Endlich haben sich Jassir Arafat und Schimon Peres die Hand gereicht und die seit Monaten brach liegende Sicherheitskooperation wieder aufgenommen. Viel wichtiger als das Treffen war aber der massive amerikanische Druck auf Israels Premier Ariel Scharon, der sein Veto zurückziehen musste.

Es gibt wenige Tage, an denen gleich zwei gute Botschaften aus dem Nahen Osten kommen: Endlich haben sich Jassir Arafat und Schimon Peres die Hand gereicht und die seit Monaten brach liegende Sicherheitskooperation wieder aufgenommen. Viel wichtiger als das Treffen war aber der massive amerikanische Druck auf Israels Premier Ariel Scharon, der sein Veto zurückziehen musste. Darin liegt die zweite, noch bessere Botschaft des Treffens: Die Amerikaner melden sich zurück in Nahost.

Noch vor wenigen Wochen hatte der französische Außenminister Hubert Védrine den Präsidenten George Bush als "Pontius Pilatus" bezeichnet, der seine Hände in Unschuld wasche, während der Nahe Osten dem Abgrund zutreibe. "Sollen die sich erstmal die Köpfe einschlagen", war die Meinung in Washington - die Region war weit weg. Aber die Terror-Anschläge haben gezeigt: Der Nahe Osten liegt vor der Tür. Die ungelösten Probleme der Region werden von muslimischen Terroristen ins Herz der Weltmacht getragen. Deswegen darf in Nahost nichts mehr so sein wie vorher.

Vor jenem 11. September konnte sich ein amerikanischer Präsident etwas mehr oder etwas weniger für die Lösung des Nahostkonflikts engagieren, je nach Neigung. Das ist jetzt anders. Wenn der Terror das Problem des 21. Jahrhunderts ist, dann wird sich die Sicherheit des Westens nicht zuletzt in jenem kleinen Landstrich westlich des Jordan entscheiden. Der Konflikt dient arabischen Terroristen als Rechtfertigung für ihre Anschläge - und nährt immer neu den Hass auf Israels Schutzmacht, die USA. Diesen Knoten geduldig aufzulösen, wird darum zum strategischen Ziel der US-Regierung. Und so ist Colin Powell entschlossen, die Krise nach den Anschlägen zu nutzen: für eine Neubestimmung der amerikanischen Außenpolitik.

Noch bei seinem Besuch in der Region Ende Juni hatte Powell es Scharon überlassen, die siebentägige Waffenruhe vor Beginn von Verhandlungen festzustellen. Die Palästinenser waren tief enttäuscht. Denn selbst bei gutem Willen, wie in den letzten Tagen, gelingt es Arafat nicht mehr, alle Extremisten zu kontrollieren. So fand Scharon stets einen Vorwand, um Verhandlungen zu verschieben. Damit ist Schluss. America is back.

Die Folgen der Anschläge in den USA sind paradox. Statt Arafat, der Dschihad und Hamas monatelang gewähren ließ, muss jetzt Israel auf die Teilnahme an der Anti-Terror-Koalition verzichten. Amerika kann es sich im Moment nicht leisten, zimperlich zu sein bei der Auswahl seiner Verbündeten. Arafat und die gemäßigten arabischen Staaten sollen mit ins Boot - dafür müssen die USA etwas anbieten. Die Parallelen zum Golfkrieg liegen auf der Hand. Damals versprach Bush Senior den an der Anti-Irak-Koalition beteiligten moslemischen Staaten, sich für eine Lösung des Nahostkonflikts einzusetzen. Das Ergebnis waren die Konferenzen von Madrid, die den Friedensprozess einleiteten.

Jetzt ist es an Bush Junior, diese Selbstverpflichtung zu erneuern. Tatsächlich hat er schon aktiv eingegriffen. Am Telefon warf er Scharon wegen seiner Verweigerungshaltung vor, er sei der erste Regierungsschef, der Amerika seit den Terror-Anschlägen eine Bitte verweigere. Der Israeli musste einlenken.

Scharon kann nichts dafür, dass Arafat die weitgehenden Vorschläge der Israelis in und nach Camp David ausschlug. Dennoch ist der ehemalige Panzergeneral Teil des Problems. Weil sie sich von Scharon keine substanziellen Fortschritte erwarten, befürworten inzwischen mehr als 80 Prozent der Palästinenser gewalttätige Aktionen. Darum wollen die Amerikaner gemeinsam mit Europa nun vor allem eines leisten: Arafat und die moderaten Palästinenser davon überzeugen, dass mit politischen Mitteln mehr zu erreichen ist als durch Terror.

Der Friedensprozess gleicht dem Bau eines Torbogens. Weil der Schlussstein fehlte, brach er vor einem Jahr zusammen. Stein für Stein nun wieder zusammen zu fügen, ist eine Kärrnerarbeit - aber ohne Alternative. Niemand weiß, ob am Ende der europäischen und amerikanischen Bemühungen der Erfolg stehen wird. Eines ist allerdings klar: Die USA sind als Gerüst für den Wiederaufbau des Friedensbogens unersetzbar. Den letzten Stein müssen Israelis und Palästinenser selber einfügen.

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