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Meinung: Nahost: Öl ins Feuer

Bei allem Entsetzen über die Opfer und die Zerstörung - waren die Anschläge in New York und Washington nicht auch ein Anlass, innezuhalten und die politischen Strategien zu überdenken? Zum Beispiel im Nahen Osten: War dies nicht die Chance, unter beidseitiger Gesichtswahrung Gespräche über ein Ende der Gewalt zu führen?

Bei allem Entsetzen über die Opfer und die Zerstörung - waren die Anschläge in New York und Washington nicht auch ein Anlass, innezuhalten und die politischen Strategien zu überdenken? Zum Beispiel im Nahen Osten: War dies nicht die Chance, unter beidseitiger Gesichtswahrung Gespräche über ein Ende der Gewalt zu führen?

Doch Israels Premierminister Ariel Scharon verbietet seinem Außenminister Schimon Peres das vereinbarte Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat. Und das, obwohl US-Außenminister Powell dieses Gespräch gefordert hat. Scharon verschärft die Stimmung gezielt, etwa indem er Arafat mit Osama bin Laden gleichsetzt, dem mutmaßlichen Drahtzieher der Terrorakte. Selbst wenn er von der Richtigkeit seiner These überzeugt wäre, sollte er sie jetzt nicht äußern. Zudem lässt sich die Terrorattacke auf die USA mit keinem noch so grauenhaften Anschlag in Israel vergleichen. Das muss der Regierungschef wissen und verstehen. Umgekehrt besteht er - zu Recht - darauf, dass kein noch so schlimmer Völkermord mit der Shoa gleichgesetzt werden dürfe.

Scharons Behauptung, Arafat sei der Vater des Terrorismus, stimmt auch nicht. Es hat lange vor Arafat politischen Terror gegeben, auch im Nahen Osten. Ohne Zweifel haben Arafats Leute die moderne Form des Terrors - Flugzeugentführungen, Massaker unter unschuldigen Zivilisten, namentlich Kindern, Selbstmord-Attentate - in den israelisch-arabischen Konflikt eingeführt. Und dies wurde dann andernorts kopiert.

Den Terror wollen George W. Bush und Scharon zwar gleichermaßen kompromisslos bekämpfen. Aber für den Nahen Osten haben sie unterschiedliche Strategien entwickelt. Die USA möchten Syrien und die Palästinensische Autorität offensichtlich in ihre Koalition einbinden und sie so zwingen, selbst gegen Terroristen vorzugehen. Für Arafat hieße dies konkret: Festnahme aller islamistischen und auch nationalistischen Täter und Verdächtigen - wozu er vertraglich schon lange verpflichtet war -, Zerschlagung der terroristischen Infrastruktur, Entwaffnung illegaler Waffenträger, Koordination und Kooperation mit allen Anti-Terror-Organisationen, vor allem der israelischen.

Etwas Besseres konnte Scharon kaum passieren. Sollte man meinen. Doch der israelische Regierungschef ist entschlossen, Arafat der Welt als Patron und Symbol des Terrors zu präsentieren - auch um den Preis politischer Spannungen mit den USA. Der Name des Palästinenserchefs soll ganz oben auf der Feindesliste der USA und ihrer Koalition erscheinen. Womöglich glaubt Scharon, dann werde Arafat ausgeschaltet, sei es politisch oder gar physisch. Deshalb lässt er seinen Außenminister Schimon Peres jetzt nicht mit Arafat über einen Waffenstillstand verhandeln. Obwohl er weiß, dass ein solches Treffen am Ende unvermeidlich sein wird, weil die USA darauf dringen. Bis es so weit ist, nützt Scharon die Gelegenheit, die verbleibende Zeit und die politische Atmosphäre aus, um den Palästinensern schmerzliche Schläge zu versetzen - womit er sie auch wieder provoziert.

Doch Scharon ist nicht der Einzige, der sich in der neuen Lage als weitgehend unbelehrbar erweist. Auch Arafat hat auf stur geschaltet und ist nicht bereit, die neue Realität zu akzeptieren und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Noch immer tut er nicht, was in seiner Macht stünde, um den Terroristen Einhalt zu gebieten. Noch immer wird auch aus den Reihen seiner eigenen Organisationen geschossen und gebombt. So schadet Arafat der palästinensischen Sache und spielt Scharon in die Hände - ungewollt oder auch er ganz gezielt?

Was muss noch geschehen, bis die beiden Kontrahenten Scharon und Arafat endlich ihren überholten Vorstellungen abschwören und die Vernunft regieren lassen?

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