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Anshu Jain: Der neue Chef der Deutschen Bank.

© dapd

Neue Führung der Deutschen Bank: Nationalstaatliches Denken ist überholt

Große deutsche Konzerne machen ihre Umsätze längst hauptsächlich im Ausland. Daher ist es auch keine Überraschung, dass mit Anshu Jain ein Inder Chef der Deutschen Bank wird.

Ein Inder wird Chef der Deutschen Bank. So what? Das größte deutsche Geldhaus ist längst ein multinationales Unternehmen, Englisch zu sprechen ist für seine Manager so selbstverständlich wie das Tragen von Anzug und Krawatte. Einer aktuellen Studie zufolge ist inzwischen ein Viertel aller Posten an der Spitze großer deutscher Konzerne mit Ausländern besetzt. Weil das ein Vorteil ist, wenn man ohnehin den größten Teil seines Umsatzes in der globalisierten Welt macht und nicht in Deutschland.

Und weil man von ihnen lernen kann. Anshu Jain, der nächste Deutsche-Bank-Chef, ist in Indien aufgewachsen, einer Gesellschaft mit mehr als einer Milliarde Menschen, die mit viel Kraft nach Wohlstand streben. Was wissen wir über sie, außer, dass sie künftig neben den Chinesen die Weltwirtschaft dominieren werden? Da gibt es zum Beispiel den Jainismus, eine Religion, der auch Jain angehört und der er seinen Nachnamen verdankt. Jainisten sollen Gewaltverzicht üben gegenüber allen Lebewesen, darum essen sie nur vegetarisch. Sie sollen unabhängig sein von unnötigem Besitz und alles, was sie tun, der Wahrhaftigkeit unterordnen. Wer hätte das gedacht. Jain ist Investmentbanker. Er hat an der Wall Street gelernt, lebt seit 15 Jahren in London. Jain hat zuletzt zwölf Millionen Euro verdient. In einem Jahr.

Das ist vielleicht der größte Unterschied zwischen dem neuen Chef und dem Land, in dem seine Bank zu Hause ist. Das Investmentbanking ist den Deutschen unheimlich. Jains Mitarbeiter, auch „Jains Armee“ genannt, tragen 60 Prozent zum Gewinn der Deutschen Bank bei. Trotzdem steht ihre Zunft hierzulande nicht für Gewinn, sondern für Verlust: Sie ist zum Synonym für die Zockerei geworden, die der Welt die Finanzkrise beschert hat.

Dabei hat das Investmentbanking durchaus eine realwirtschaftliche Grundlage. Es geht darum, Unternehmen an die Börse zu bringen, Fusionen und Übernahmen zu begleiten, Anleihen herauszugeben. Das nutzt auch der deutschen Wirtschaft. Sie bekommt auf diese Weise Zugang zum internationalen Kapitalmarkt. Natürlich werden in dieser Abteilung auch endlos komplizierte Finanzprodukte konstruiert. Aber ein Währungsderivat kann einem Mittelständler dabei helfen, sein Risiko abzusichern, wenn er Geschäfte mit dem Ausland macht.

Auf der Gegenseite steht ein Händler, der hofft, dass sich der Kurs zu seinen Gunsten entwickelt. Dabei wird spekuliert, auch gezockt, der eine wettet gegen den anderen. Die Bank selbst hat ihre Risiken im Griff, behauptet sie. Die Zahlen sprechen dafür. Doch das zu erklären und den Menschen Angst und Misstrauen zu nehmen, wird künftig Jains Aufgabe sein. Bisher hat er Auftritte in der Öffentlichkeit gemieden, so wie die Branche insgesamt lieber im Verborgenen arbeitet. Da darf man sich über ein schlechtes Image nicht wundern.

Auch Josef Ackermann nicht. Doch der Schweizer hat sich mit den Jahren vom Buhmann zum Berater der deutschen Politik entwickelt. Diese Aufgabe wird er im Aufsichtsrat weiter übernehmen, was in diesen Zeiten für beide Seiten von Vorteil sein kann. Ackermann hat auch die anfänglichen Ängste der Mitarbeiter beruhigen können. Er hat das wenig profitable Kreditgeschäft mit Firmen und Privatkunden nicht aufgegeben, sondern gestärkt. Damit hat er nicht nur die Deutsche Bank auf ein sicheres Fundament gestellt, sondern auch die unterschiedlichen Kulturen innerhalb des Hauses miteinander versöhnt.

Und schließlich ist da noch die Politik. Die muss mit Gesetzen und Aufsehern dafür sorgen, dass Investmentbanking in klaren Grenzen stattfindet. Das funktioniert am besten global, sonst verlagern die Unternehmen ihre Geschäfte in Länder, in denen weniger reguliert wird. Die europäische Schuldenkrise hat gezeigt, was passiert, wenn nationale Interessen dominieren und Politiker ihr Handeln am eigenen Wähler ausrichten. Die Politik muss nachvollziehen, was die Wirtschaft längst erkannt hat: Nationalstaatliches Denken ist überholt. Das zeigt auch der Inder an der Spitze der Deutschen Bank.

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