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Neckarwestheim: Atomkraftgegnern droht Bedeutungslosigkeit

Jetzt, wo selbst die Konservativen und die Liberalen für den Atomausstieg sind, wo die rote Sonne auf gelbem Grund das Revers teurer Anzüge schmückt, heißt dagegen sein plötzlich dafür sein. Voll Mainstream. Voll langweilig.

Von Anna Sauerbrey

Wenn in diesem Herbst im Wendland wieder die Strohsäcke gestopft werden für die lange Nacht am Eisenbahngleis, wird bei dem einen oder anderen vielleicht ein bisschen Wehmut mitschwingen. Ach, all die Jahre. Und nun ist der Atomausstieg doch beschlossen, die alten Meiler sind schon vom Netz, und der letzte Castortransport aus La Hague rollt. Nicht, dass es keine Atommülltransporte geben wird – die Deutschen werden Endlager finden und füllen müssen. Da ist schon noch Musik drin. Doch der Protest dagegen wird anders sein. Jetzt, wo selbst die Konservativen und die Liberalen die Seite gewechselt haben, wo die rote Sonne auf gelbem Grund das Revers teurer Anzüge schmückt, heißt dagegen sein plötzlich dafür sein. Voll Mainstream. Voll langweilig.

Die Bewegung selbst hat diese Entwicklung vorweggenommen. Der Protest, der einst mit bärtigen Bürgerinitiativlern begann, wird heute zu guten Teilen von hochprofessionellen Organisationen getragen. Greenpeace zum Beispiel. Sicher, Energie ist nicht das einzige Thema der Organisation. Aber seit Angela Merkel 2009 aus dem Ausstieg ausstieg, hat sie hier einen Schwerpunkt gesetzt. Die Spender haben das belohnt. 2009 sammelte Greenpeace von rund 560 000 Deutschen 40 Millionen Euro ein. Mit dem vielen Geld aus Deutschland werden Aktionen in anderen Ländern querfinanziert. Greenpeace ist jetzt außerdem selbst Stromanbieter. Auch der BUND, eine weitere wichtige Stimme im Lager der Atomkraftgegner, ist ein Protestschwergewicht geworden. Ganz abgesehen von den vielen Gruppen in der linken Szene, die das Ganze, sagen wir, mit sportlichem Ehrgeiz betrachten.

Ihnen allen droht jetzt die Arbeitslosigkeit. Und deshalb wird zunächst einmal munter weiterprotestiert. In Berlin gingen Tausende auf die Straße. „X-tausendmal quer“, ein Aktionsbündnis gegen Castortransporte, ruft zum nächsten Protestcamp nach Brokdorf. Mit dem mulmigen Gefühl drohender Bedeutungslosigkeit im Bauch zetteln die Atomkraftgegner Rückzugsgefechte an. Dazu gehört die Kritik an der „kalten Reserve“ (klingt die nicht schon hundsgemein?) und ein Unterbietungswettstreit um das Enddatum. Die Grünen, mit der Vernunftschwere der Partei gewordenen Bewegung, wollen sich mit 2017 begnügen. Greenpeace will schon 2015 raus, und der BUND wirbt gleich für „sofort“. Wohin auch sonst mit all der Rest-Energie?

Darum, liebe Atomkraftgegner, ist es an der Zeit, über euren antikapitalistischen Schatten zu springen. Kommerzialisiert euer Know-how! Da entwickelt sich gerade ein großer Markt. Bald werden Eon und RWE ihren Mitarbeitern teure Wochenendseminare bezahlen. „Schottern für Anfänger“ oder „Der Dresscode beim Anketten“. Wenn einmal alle Klagen verloren sind und die ersten Rückbauteams mit Baggern vor Atomkraftwerken auftauchen, die noch Jahre laufen und Profit bringen könnten, werden die Methoden die Seiten wechseln. Und ihr organisiert dann gleich auch die Gegendemo.

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