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Renate Künast und Berlins Grüne: Nervös bis gereizt

Renate Künast will ins Rote Rathaus, aber die Stimmung bei Berlins Grünen muss besser werden. Die Kandidatin hat Fehler gemacht - ihre einzige Chance sind die Inhalte. Ein Kommentar.

Von Sabine Beikler

Früher gingen die Berliner Grünen fast kindlich in Wahlkämpfe. Vor zehn Jahren verteilten sie noch sperrige Pappkartons, mit denen sie für die Partei als „Filzwaschmittel“ warben. Damals hatte ihnen nur leider niemand gesagt, dass Filz beim Waschen immer mehr verfilzt.

Heute ist das anders. Ein professioneller Wahlkampf, geleitet von einer Grünen-erfahrenen Werbeagentur, wirbt mit der Spitzenkandidatin Renate Künast und mit dem Slogan „Da müssen wir ran“. Das klingt nach Neuanfang, nach Wechsel und Euphorie. Aber reicht das? War früher der Inhalt der Partei besser als die Verpackung, droht jetzt die Verpackung besser zu werden als der Inhalt.

Kurz vor Künasts Antrittsrede im vergangenen November erreichten die Werte der Partei astronomische 30 Prozent, acht Punkte vor der SPD. Danach fielen sie ab und liegen heute bei 24 Prozent, fünf hinter der SPD und einen Punkt vor der Union. Mit dem erwünschten „Künast-Effekt“ konnte die Partei nicht punkten. Im Gegenteil: Der Anteil derer, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind, hat laut jüngster Umfrage im Vergleich zu Juni noch einmal um vier Punkte auf 42 Prozent abgenommen.

Die Kandidatin hat Fehler gemacht. Nach einem ungeschickten frühen Start, missverständlichen Äußerungen über Tempo 30 und den Weiterbestand der Gymnasien und nach der Aussage, den Großflughafen wieder auf das Maß eines Regionalflughafens reduzieren zu wollen – was sie schnell revidierte – hat sich Künast nicht mehr aus ihrem Umfrageabsturz erholt.

Selbst wenn sich Künast optimal auf den Wahlkampf vorbereitet hätte, würde ein Präsidentenwahlkampf à la Barack Obama keinen Erfolg haben. Die Grünen sind eine Programmpartei. Inhalte waren immer wichtiger als Personen, bis auf die Sonderrolle von Joschka Fischer als ehemaliger (und künftig wieder?) Spitzenkandidat.

Auf Rückenwind aus dem Bund kann Künast nicht vertrauen. Anders als in Baden-Württemberg profitiert die Partei in Berlin nicht vom japanischen Supergau. Hier muss man keine Atomkraftwerke abschalten, sondern mehr Jobs, sichere Schulen mit ausreichend Lehrern anbieten und sozialen Ausgleich schaffen. Damit wollen die Grünen auch im Wahlkampf punkten. Doch statt souverän Inhalte zu thematisieren, werden die Grünen von Tag zu Tag nervöser.

Künast attackiert Rot-Rot mit scharfen Worten, will dann aber doch wieder lieb mit ihrem Lieblingspartner SPD sein. Der rüde Ton gegenüber Kritikern und auch Berichterstattern passt nicht zu dem, was die Partei propagiert: Bürgernähe, Transparenz und eine andere politische Kultur.

Im Wahlkampf um das Rote Rathaus werden nicht nur A-, sondern auch B-Noten verteilt. Klaus Wowereit stichelt gegen Künast genüsslich, dass sie nicht auf Menschen zugehen könne. Künast sagt freimütig, dass Wowereit eine gute „performance“ habe und man bei ihr zweimal hinschauen müsse. Weil jeder spürt, dass das stimmt, hat Künast nur eine Chance – die Inhalte. Ihren Kurzurlaub sollte sie zur Entspannung nutzen, um dann unaufgeregter – wenn man so will: souverän – aufzutreten.

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