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Vereint im Pragmatismus: Koalitionspartner Wowereit und Henkel.

© dpa

Neue Berliner Regierung: Geräuschlos und pragmatisch

Berlin bekommt die Regierung, die es sich wünscht. Wer das Programm zu mutlos und langweilig findet, ignoriert den Wunsch der Berliner, dass Politik einfach ihre Arbeit machen soll.

"Die Hauptstadt soll Motor der politischen und wirtschaftlichen, der kulturellen und geistigen Entwicklung Deutschlands sein" – ja, die Präambel könnten SPD und CDU unterschreiben. Nur hieß 1999 der Regierende Bürgermeister noch Eberhard Diepgen, und an Klaus Wowereit und den Bankenskandal, der die CDU zehn Jahre lang zum Paria der Berliner Politik machte, war nicht zu denken. Motor zu werden für Deutschland, das wäre auch heute noch, nach zehn Jahren Rot-Rot, ein prima Ziel.

Könnte klappen. Nach der Katharsis durch das rot-grüne Desaster haben SPD und CDU jedenfalls in verblüffend stillem Pragmatismus ein Regierungsprogramm gezimmert. Und es hat gar nicht wehgetan, kann man vor der abschließenden Runde sagen. Wer spricht von Fügung? Da war auch zielgerichtetes Scheitern dabei bei Klaus Wowereit, der seinen hadernden Genossen den grünen Scherbenhaufen nun als beste Referenz für den Bund mit der CDU zeigen kann.

In der ideologiefreien Nüchternheit der Verhandlungen haben beide Partner viele Konfliktpunkte umschifft, die im Detail lauern. Schließlich müssen die Parteitage noch zustimmen. Ein Geben und Nehmen: Religionsunterricht ließ die CDU im Giftschrank, dafür nimmt die SPD eine Teilausschreibung der S-Bahn hin – und als Mitgift hat die CDU die vom Bund unterstützte Kooperation von Charité und Dellbrück-Zentrum eingebracht. Die Kontroversen über das Kleingedruckte werden sich im Regierungsalltag von ganz allein einstellen. Dann werden die Fragen kommen nach der eigenen Handschrift, sowohl bei SPD und CDU.

Die rot-rote Koalition hat die geteilte Stadt versöhnt, den Strukturwandel angeschoben und der Schuldenmacherei ein Ende gemacht. Die Zeichen eines wirtschaftlichen Erfolgs, in der endlich die Arbeitslosigkeit sinkt, mehren sich. Um aus Chancen aber Wohlstand wachsen zu lassen, ist es richtig, weiter eisern zu sparen und sich auf eine funktionierende Infrastruktur mit Autobahnverlängerung, Flughafenausbau, Ideen für die brachliegenden Flughäfen und Investitionen in die Wissenschaftslandschaft zu konzentrieren. Und dem von der CDU vorgeschlagenen Ansiedlungs-Staatssekretär muss gelingen, neue Unternehmen in die Stadt zu locken. Wer das Programm zu mutlos und langweilig findet, ignoriert den Wunsch der Berliner, dass Politik einfach ihre Arbeit machen soll – je geräuschloser, umso besser. Das erklärt die wachsende Sympathie für das bis vor kurzem noch verfemte Bündnis. Wer zwei Winter lang erleiden musste, dass weder die S-Bahn funktioniert noch der Winterdienst, kann gut auf Visionen verzichten. Und nach Jahren rasender Reformen wünschen sich Eltern einfach eine verlässliche Schule.

Klaus Wowereit hat – mit Thilo Sarrazin oder Jürgen Zöllner - das Talent bewiesen, starke Führungskräfte zu holen. Nun muss Frank Henkel die Kraft zeigen, an den Begehrlichkeiten verdienter Funktionäre vorbei Persönlichkeiten für den Senat zu holen. Nur so kann Berlin Motor einer kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands werden. „CDU und SPD verabreden eine zukunftsgerichtete und vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle Berlins“ – hieß es 1999. Das gilt.

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