zum Hauptinhalt
Ein Deutschland? Was die Bildung betrifft, sind es viele.

© dapd

Neue Bildungsstudie: Berlin ist unvergleichlich

Berliner Grundschüler müssen nicht da stehen, wo Bayerns Grundschüler stehen. Aber die Stadt darf auch nach den neuen schlechten Noten für die Bildung nicht resignieren.

Wir kennen das noch aus der seligen DDR. Die Fünfjahrespläne, die Zahlengläubigkeit, das Jubeln über den 100 000sten Plattenbau, während ein paar Straßen weiter die Altbauten verfielen.

Dass auch dem Westen diese sogenannte Tonnenideologie nicht fremd ist, offenbart seit einigen Jahren die Bildungspolitik. Als die Forscher der Pisa-Studie Alarm riefen, weil sie die deutschen Schüler im Nirwana der untersten Ränge fanden, verfielen auch die Schulminister der Magie der Zahlen. Da ging es dann um mehr Kitaplätze, mehr Ganztagsschulen, um die Kita ab dem ersten Lebensjahr und die Schule ab dem fünften.

Berlin mischt da ganz vorne mit. War immer Sieger in der Zahlenschlacht um Kita- und Ganztagsplätze. War Spitzenreiter bei der Früheinschulung und beim Geldausgeben für die Sprachförderung.

Und wo steht Berlin nun? Nach dem zweiten Fünfjahresplan, sprich: der zweiten Legislaturperiode nach Pisa? Die Forscher, die am Freitag die neue deutsche Bildungsstudie vorgestellt haben, sagen, dass Berlin da steht, wo es immer stand. Ganz unten und noch unter den anderen Großstädten. Nichts hat sich geändert.

Pessimisten könnten nun sagen, dass alles umsonst war. Dass letztlich nicht anzukommen ist gegen den sozialen Background dieser Stadt und gegen die Folgen der Deindustrialisierung und der im Bundesvergleich überproportionalen Armutszuwanderung. Das könnte man sagen und hätte recht – wenn tatsächlich alles versucht worden wäre, um das Blatt zu wenden. Ist es aber nicht. Die Bildungsforscher bemängeln nämlich, dass zwar Strukturen verändert wurden. Dass aber bei allem Hype um Millionenausgaben für Kitas und Schulkantinen, bei allem Gewese um Früheinschulung und Jahrgangsmischung vergessen wurde, die Erzieher und Lehrer ausreichend fortzubilden und das Erreichte zu hinterfragen.

Das gleiche Reaktionsmuster findet sich bei der Sprachförderung. Rund eine halbe Milliarde Euro hat Berlin seit Pisa in die Sprachförderung für Migranten gesteckt, ohne den Verbleib dieser Gelder zu kontrollieren, ihre Wirkung zu evaluieren oder gar Konzepte einzufordern. Ähnlich sieht es beim Umgang mit den (zu) jung eingeschulten Kindern aus. Auch ihrem Schicksal wurde nicht nachgegangen, auch hier wurde nichts evaluiert. Aber jetzt hat der Senat Zahlen auf dem Tisch, die er nicht ignorieren darf.

Berlins Grundschüler müssen nicht da stehen, wo die Bayern sind. Denn in Bayern werden schon die Drittklässler unter Druck gesetzt, damit sie die Gymnasialempfehlung bekommen. Berlin leistet sich hier mehr Nonchalance mit der sechsjährigen Grundschule und den vielen Gymnasien, die jeden aufnehmen. Das ist gewollt und in Ordnung für diese Stadt, die nicht nur Bildungsbürgerkinder auf den Gymnasien sehen will.

Aber Berlin und die anderen Großstädte mit ihren überproportional vertretenen Risikogruppen der Bildungsfernen, Alleinerziehenden und Armutsflüchtlingen müssen genauer hinsehen, was sie tun. Unzählige Male haben die Grundschulen im sozialen Abseits Alarm geschlagen. Offenbar wollte aber niemand so genau wissen, was los ist. So wie die DDR-Oberen nicht wirklich wissen wollten, dass die Altbauten verfielen, während sich die Kräne in den Neubausiedlungen drehten. Die neue Studie könnte ein neuer Anlass sein, über Berliner Prioritäten nachzudenken und über die Tatsache, dass Bildung die einzige Währung ist für Menschen, die kein Geld haben. Alles andere ist Hartz IV.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false