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Meinung: Neue Regeln braucht der Euro

Auch Italien und Niederlande verstoßen gegen Stabilitätspakt

Nach monatelanger Abwesenheit taucht er plötzlich aus der Versenkung auf: Der Europäische Stabilitätspakt ist wieder im Gespräch. Beim Treffen der europäischen Finanzminister in Irland hatte Währungskommissar Pedro Solbes wieder Lob und Tadel zu verteilen. Erstaunlicherweise bekam der ewigen Defizitsünder Deutschland dieses Mal Lob ab – und der ehemalige Musterschüler Niederlande Tadel. Überraschend bekräftigte Solbes Finanzminister Hans Eichel in dem Glauben, im kommenden Jahr die Regeln des Paktes einhalten zu können und also die Neuverschuldung erstmals nach drei Jahren wieder auf unter drei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu drücken. Die Niederlande dagegen werden in diesem Jahr wohl zum ersten Mal den Pakt brechen. Auch Italien steht kurz davor.

Nun könnte man aus deutscher Sicht hämisch bemerken, dass gerade der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm, der noch im Herbst seinen Kollegen Eichel am heftigsten kritisierte, nun am Pranger steht. Auch könnte man sehr berechtigte Zweifel anmelden, ob Eichel das wohl wirklich schafft, sich 2005 wieder an die Regeln zu halten. Wie weit Italien die Drei-Prozent-Marke in diesem Jahr wohl überschreiten wird, wäre ebenfalls eine interessante Frage. Im Grunde genommen ist diese Debatte aber müßig – denn den Stabilitätspakt gibt es nicht mehr.

Deutschland und Frankreich haben ihn im November vergangenen Jahres in Eintracht mit den anderen Finanzministern faktisch außer Kraft gesetzt. Der Ministerrat hat damals beschlossen, die verbindlichen wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Kommission für die dreifachen Defizitsünder Deutschland und Frankreich abzulehnen. Die Strafverfahren wurden damit ausgesetzt, die Kommission erlitt einen beträchtlichen Autoritätsverlust – und zog vor den Europäischen Gerichtshof.

Damit der Pakt wieder einen Sinn macht, ist eine Debatte darüber erforderlich, was für Regeln künftig gelten sollen. Und die Mitgliedstaaten müssen glaubwürdig versichern, dass sie sich daran auch zu halten gedenken. Das wird schwierig genug – ist aber einen Versuch wert. Denn ohne verbindliche Spielregeln funktioniert eine Währungsunion nicht lange. Investoren verlieren das Vertrauen in den Euro, wenn die Finanzminister ständig ihre Versprechen brechen und zu hohe Schulden machen. Währungskommissar Solbes wollte eigentlich noch in diesem Frühjahr Vorschläge für eine Reform des Paktes vorlegen. Da er jetzt bald als Finanzminister nach Spanien gehen wird, hat sich das erledigt. Erst im Herbst werden die neue Kommission und mit ihr auch ein neuer Währungskommissar antreten. Auf einen funktionsfähigen Pakt müssen wir also mindestens bis Ende des Jahres warten.

Flora Wisdorff

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