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Meinung: Neue Weltordnung: Positionen: Eine US-Dominanz wäre der Rückfall in altes Denken

Mit der Feststellung, die US-Raketenabwehrpläne (NMD) seien eine amerikanische Entscheidung, wird die Bundesregierung nicht weit kommen. Es geht um eine Entscheidung, die das Bündnis in seinem Kernbereich betrifft.

Mit der Feststellung, die US-Raketenabwehrpläne (NMD) seien eine amerikanische Entscheidung, wird die Bundesregierung nicht weit kommen. Es geht um eine Entscheidung, die das Bündnis in seinem Kernbereich betrifft. Einfache Antworten - Ja oder Nein - reichen nicht aus. Das gilt für die beflissenen Befürworter in Deutschland, die einfach SDI durch NMD und "Sowjetunion" durch "Problemstaaten" ersetzen. Es gilt genauso für die professionellen Skeptiker.

Europa war einst Vordenker in politischen und strategischen Fragen - Beispiele sind KZSE, Nato-Nachrüstung, doppelte Nulllösung und Verhinderung einer unsinnigen Kurzstreckenrüstung noch im Frühjahr 1989. Nun hat Europa sich rüstungskontrollpolitisch zur Ruhe gesetzt, nachdem mit der Charta von Paris, der Umwandlung der KSZE in die OSZE und der Einleitung eines Partnerschaftsverhältnisses zunächst zur Sowjetunion und dann zu ihren Nachfolgestaaten wichtige Initiativen für die gesamteuropäische Sicherheit entfaltet wurden. Alles übrigens in engstem Schulterschluss zwischen Deutschland und den USA.

Natürlich hat sich die Welt in den letzten zehn Jahren grundlegend verändert. Der ABM-Vertrag sollte dennoch nicht bedenkenlos zerrissen werden. Das Ende des Ost-West-Konflikts hätte die Stunde der nuklearen Abrüstung werden müssen, wozu sich die Atommächte schon im Atomwaffensperrvertrag von 1969 verpflichtet hatten. Durchgreifendes ist seitdem nicht geschehen. Die Gefahr des Entstehens neuer Atommächte und der stärkeren Aufrüstung schon vorhandener wird größer.

Deutschland, das den Sperrvertrag unterzeichnet und für immer auf Atomwaffen verzichtet hat, kann sich nicht damit abfinden, dass die USA und Russland noch immer je 6000 strategische Atomwaffen, plus Kurzstreckenwaffen, besitzen. Wie sollen das Entstehen neuer Atommächte und die Aufrüstung vorhandener verhindert werden, wenn die Hauptbetroffenen ihre Verpflichtungen nicht ernst nehmen? Erfüllen sie ihre Abrüstungsverpflichtungen, wird ihre Autorität umso größer sein, atomarer Aufrüstung entschlossen entgegenzutreten.

Anspruch haben die Bündnispartner auch darauf, dass das Verbot atomarer Tests ratifiziert wird. Schließlich müssen durch ein breit gefächertes Rüstungskontrollsystem die Verbreitung von Raketentechnologie verhindert und Raketenstarts transparent gemacht werden. Ein lückenloses Waffenexportregister bei der UN schließlich ist das Gebot der Stunde.

Die Nato braucht eine strategische Debatte. Akzeptiert sie eine multipolare Weltordnung oder strebt sie - ganz im Sinne Huntingtons - eine von den USA geführte westliche Dominanz an? Das würde die Fehler der europäischen Geschichte global wiederholen. Die europäischen Verbündeten haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gute Erfahrungen gemacht mit gleichberechtigter Kooperation anstelle von Streben nach Überlegenheit. Letzteres wäre altes Denken.

Die multipolare Weltordnung ist längst Realität. Sie muss sich gründen auf Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit, sie sollte viele Grundgedanken der KSZE übernehmen, die immerhin den Ost-West-Konflikt friedlich zu überwinden half. Globale Transparenz ist geboten, nicht nur für die globalen Handels- und Finanzmärkte. Die globale Bekämpfung der Armut, der Umweltbeschädigungen, des internationalen Terrorismus sind dringlich. Gegen atomare Kofferbomben hilft kein Raketenabwehrsystem.

Es war noch immer das bessere Konzept, sich erst über die politische Strategie zu verständigen und dann Rüstungs-Entscheidungen zu treffen als umgekehrt. Außenminister Powell und Verteidigungsminister Rumsfeld - erfahren und besonnen - werden sich einer strategischen Debatte nicht entziehen. Auch dem neuen US-Präsidenten sollte diese Bereitschaft unterstellt werden.

Der Autor war von 1974 bis 1992 B, esaußenm

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