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Streit um den Flughafen Tegel: BER-Chef Hartmut Mehdorn und Aufsichtsratvorsitzender Matthias Platzeck.

© dpa

Neuer BER-Chef Hartmut Mehdorn: Ein Dienstbeginn wie ein Düsenjet

Der neue BER-Chef Hartmut Mehdorn denkt laut darüber nach, Tegel offen zu halten und düpiert so gleich an seinem ersten Tag die Politik und die Berliner. Doch er könnte alle Beteiligten dazu bringen, endlich wieder in Alternativen zu denken.

Hartmut Mehdorn ist ein Brachialkünstler der Kommunikation, Händedruck wie Hulk, Gesprächseröffnung frontal wie die Faust von Graciano Rocchigiani, und dann hämmert er los, wie Günther Uecker, scheinbar wild, immer genau auf den Kopf. Insofern war es nicht so sehr überraschend, dass der neue Chef des Berliner Chaosflughafens die größtmögliche Provokation wählte, um sich im Job einzuführen, sondern, dass er sich Zeit ließ damit bis zum ersten Arbeitstag – und dass er seinen tückischen Überfall aufs verbotene T-Wort verblüffend in feinste, unschuldigste, geradezu vernünftigst klingende Fragen kleidet: Muss man Tegel wirklich schließen? Kann man nicht die Last und den Lärm ein wenig auf die Stadt verteilen? Und: Was wäre so schlimm daran?

Ein Dienstbeginn wie ein Düsenjet, elegant und eruptiv, Sturzflug, Rauchfahnen, Rückwärtsrolle, Minuten später sind alle sprachlos, düpiert: die Gesellschafter, die Aufsichtsräte, der Vorgänger sowieso. Das Mantra der Berliner Flughafenpolitik, seit bald zwanzig Jahren von allen, aber wirklich allen, die hier Verantwortung tragen, geflüstert, gesummt, gesungen und gebrüllt, dass Tegel nicht offen bleiben darf, weil Tegel nicht offen bleiben kann, ist mit einem Mal unterbrochen, und das ausgerechnet durch den Mann, der sie alle retten soll vom Makel des Unvermögens. Tegel offen – was wäre daran so schlimm?

Matthias Platzeck, Aufsichtsratsvorsitzender und Ministerpräsident, der Mehdorn geholt, vielleicht auch überzeugt hat, braucht ein paar Minuten, um zu ermessen, was da gerade passiert – und reagiert fatal. Er spricht Mehdorn, dem Mann seiner Wahl für den Spitzenjob im Milliardengeschäft, die Kompetenz ab mit den Worten, dieser könne „das“, also die einfachste Grundlage der bisherigen Flughafenplanung, „noch nicht ganz übersehen“. Mehdorn, ausgerechnet, der mit der Bahn einst Tempelhof übernehmen und mit Air Berlin wegen des BER prozessieren wollte, ein Unbedarfter, Ahnungsloser? So unglaubwürdig klingt selbst Politik nur selten. „So gut wie in Eisen gegossen“ sei der Planfeststellungsbeschluss, sagt Platzeck noch, und man hört doch vor allem heraus: so gut wie.

Was Mehdorn beflügelt, bleibt einstweilen Spekulation. Natürlich weiß er um die rechtliche Lage. Doch in Stein gemeißelt wie Moses Gesetzestafeln sind Genehmigungen und Gerichtsurteile in einer freien Gesellschaft nie. Sie können kein Selbstzweck sein, schon gar nicht, wenn sich die Dinge ändern. Berlin, wachsende Stadt, das größte Projekt dieser Zeit, „noch nicht in all den Facetten verstanden“, wie Klaus Wowereit meint, muss sich verändern, kann nicht davon ausgehen, dass alles, was seit Jahren beschlossen ist, Bestand haben kann bis in die Ewigkeit, die hier markiert ist von der Fertigstellung des Flughafens BER, zu klein schon zur Eröffnung. Mehdorns Frage, was so schlimm daran sei, über Tegel neu, ja anders zu denken, ist in ihrer vermeintlichen Schlichtheit brutal gemein: Sie trifft allein auf Antworten, die rein formalistisch sind. Doch wohin hat all der Formalismus die Flughafenmacher geführt? Nur zu Hartmut Mehdorn.

Es ist eine, ja seine hinter all dem Krach stille Pointe, dass Mehdorn ausgerechnet im Potsdamer Landtag, Leidensort des Doppel- und Widerspruchsfunktionärs Platzeck, diesem eine Bahn aus dem scheinbar unauflösbaren Nebel der Lärmzwickmühle weist. Denn das ist die Botschaft des Hartmut Mehdorn: Es gibt eine Lösung für alles und stets eine Alternative – weit über Tegel hinaus.

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