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Neuer Eingang zur Museumsinsel: Eine Treppe höher

Von Bernhard Schulz

Als quälend lang werden die Auseinandersetzungen oft empfunden, die Berlin um seine Architektur führt. Immer wieder wird der große Wurf versprochen, stets bricht die Flugbahn ab, noch bevor das versprochene Ziel erreicht ist. Geht’s nicht auch einmal schneller? Nein, besser nicht. Wer das hohe Lied der Bedächtigkeit singen will, bekommt im Neuentwurf für das Eingangsgebäude zur Museumsinsel jetzt Anschauungsmaterial. Es hat sich gelohnt, nochmals und nochmals nachzudenken: Der Neuansatz des britischen Architekten David Chipperfield stellt nicht einfach eine Verbesserung dar – er steht auf einer qualitativ ganz anderen Stufe.

Kein Wunder – und auch ein bisschen Rosstäuscherei –, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sich vom bislang gültigen Vorschlag eines aus gläsernen Kuben gefügten Bauwerks distanziert, als sei’s bloß ein „Containerdorf“. Das mag man so sehen, verdeckt aber nur den Lernprozess, den Chipperfield durchschritten hat, und der uns allen nun die Augen öffnet. Architektur als Erkenntnis – so emphatisch darf man die Entwurfshaltung beschreiben, die Chipperfield mit seinem neuen Entwurf bezeugt.

Denn was der neue Vorschlag mit seinem mächtigen Sockel entlang des Kupfergrabens, der darüber aufragenden Pfeilerhalle und der Freitreppe zur Seite vor Augen führt, ist nichts weniger als die Lektion der Architekturgeschichte, die auf der Museumsinsel versammelt ist. Von Karl Friedrich Schinkel, der sich die Antike im Alten Museum höchst eigenwillig angeeignet hat, bis zu Alfred Messel und Ludwig Hoffmann, die gleichfalls aus antikischen Quellen die düstere Wucht des Pergamonmuseums schöpften, an das sich künftig schlanke Pfeiler reihen sollen, gehen über ein Jahrhundert hinweg die Namen bedeutender Architekten, die die klassische Baukunst fruchtbar zu machen wussten. In diese Tradition – ergänzt um Mies van der Rohe und seinen Kunsttempel der Neuen Nationalgalerie – tritt nun David Chipperfield ein, der das Vokabular der Klassik aufs Neue einsetzt. Sein Entwurf ist zeitgenössisch in dem Sinne, dass er zu einer anderen Zeit nicht hätte gedacht werden können, und zugleich so traditionsverbunden, wie es das respektheischende Ensemble der Museumsinsel gebietet. Über Einzelheiten des Entwurfs wird zu streiten sein – die Haltung hat Bestand.

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