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Großbritanniens Schatzkanzler George Osborne mit dem traditionellen Haushaltskoffer.

© AFP

Neuer Haushalt: Alles Sparen hat Großbritannien nichts gebracht

Großbritanniens neuer Haushalt zeigt: Die Regierung in London schafft die Wende nicht. Auch die Briten haben, wie viele Europäer, lange über ihre Verhältnisse gelebt.

Bei seiner Haushaltsrede am gestrigen Mittwoch wirkte Großbritanniens Schatzkanzler George Osborne noch düsterer als sonst. Sein Chef, Premierminister David Cameron, versuchte zwar, wie immer selbstsichere Gelassenheit auszustrahlen. Doch er spürt den Atem seiner Hinterbänkler im Nacken. Viele von ihnen denken laut darüber nach, ob der Parteichef nicht ausgewechselt werden müsste. Die nächste Wahl halten sie ohnehin schon für verloren.

Denn der Haushalt, den Osborne vorlegte, ist nicht weniger als das Eingeständnis, dass die britische Koalitionsregierung in ihrem eigentlichen Daseinszweck gescheitert ist. Alles Sparen hat nichts gebracht. Es hat das Wachstum nicht beschleunigt, das Investitionsvertrauen der Wirtschaft nicht gestärkt und paradoxerweise die Schulden weiter wachsen lassen. Die wirtschaftliche Stagnation frisst die Steuereinnahmen und treibt die Sozialkosten in die Höhe. Seit Beginn der Krise 2008 haben sich die Schulden verdoppelt.

Cameron hatte seine Partei vor zweieinhalb Jahren für einen Zweck in die Koalition mit den Liberaldemokraten geführt: um das Land vor dem Bankrott zu retten und das von Labour hinterlassene Rekorddefizit von zwölf Prozent abzutragen, mit dem die Briten sogar die Griechen in den Schatten stellten. Der Boom der Labour- Jahre war eine Chimäre, die mit Schulden finanziert worden war, einem aufgeblähten öffentlichen Dienst und einem Konsum- und Immobilienboom, für den sich die Privathaushalte hoch verschuldeten. Auch die Briten lebten, wie die meisten in Europa, über ihre Verhältnisse. Dass Osbornes Strategie gescheitert ist, mag viele Gründe haben, einer ist das Ungleichgewicht der zu sehr von Finanzdienstleistungen abhängigen Wirtschaft, ein zweiter die Euro-Krise, die auch andere Länder in die Rezession trieb. Das Zypern-Drama untermalte Osbornes Krisenhaushalt wie fernes Donnergrollen.

Die Briten werden ärmer. Sozialleistungen werden reduziert, im staatlichen Gesundheitssystem klemmt es, die Wohnungsnot wächst. Die Armee, einst Stolz der Briten und Grundlage ihres globalen Einflusses, wird verkleinert. Vielleicht kann sie sich sogar ihre Atomwaffe „Trident“ bald nicht mehr leisten. Cameron und Osborne setzten darauf, dass die Wirtschaft rechtzeitig vor der Wahl 2015 wachsen würde. Stattdessen muss Osborne jetzt Sparpläne bis über die nächste Wahl hinaus machen, Cameron ist ein Manager des Niedergangs geworden.

Über alternative Lösungen ist lange diskutiert worden. Labour fordert mehr schuldenfinanzierte Konjunkturspritzen à la John Maynard Keynes. Die Tory-Rechte fordert eine Angebotspolitik mit radikalen Steuersenkungen. Doch irgendwie hat sich Ernüchterung breitgemacht. Denn für radikale politische Konzepte fehlt der politische Spielraum. Das Defizit ist zu groß, um sich mit noch mehr Schulden aus dem Sumpf zu ziehen. Steuersenkungen scheiden aus, weil sie die verhassten Reichen noch reicher machen würden. Das war vielleicht das Ernüchterndste an diesem Haushalt: die realistische Erkenntnis, wie beschränkt die Möglichkeiten der Politik sind.

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