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Autor Matthias Kalle.

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Neues Kracht-Buch "Imperium": Handfester Skandal oder wieder nur Erregungsflashmob?

Wieder macht ein Christian Ärger: Nach der Affäre um Bundespräsident Wulff sorgt nun Christian Kracht mit seinem neuen Buch für Aufregung. Ein Kritiker wirft Kracht Rassismus vor. Mehr braucht man schon gar nicht mehr für einen Skandal.

Haben wir das verdient? Nach dem Skandal um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff haben wir jetzt einen Skandal um den Autor Christian Kracht und dass die beiden Männer den gleichen Vornamen haben, ist wahrscheinlich nur ein Zufall.

Christian. Griechisch: Christianos, „Anhänger Christi“. Seit 1960 ein irre beliebter Jungsvorname in Deutschland, von 1977 bis 1987 durchgehend auf Platz eins der Namenscharts. Christian ist das Maximilian der 80er Jahre. Allerdings: Als Kracht geboren wurde, 1966, war Thomas der Spitzenreiter, Christian lag nur auf Platz 11. Und 1959, als Wulff geboren wurde, galt Christian als „Modename“, am beliebtesten damals: Michael.

Vielleicht bedeutet das etwas – vielleicht aber auch nicht, denn argumentativ würde es wohl nirgendwo hinführen, wenn man wüsste, dass Joachim Gauck 1940 geboren wurde, also in jenem Jahr, in dem Peter der beliebteste deutsche Jungsvorname war, während Adolf nur auf Rang 30 landete.

Das Buch "Imperium" von Christian Kracht wird am Montag in der „Spiegel“-Bestsellerliste auf Rang 7 landen. Das ist ziemlich beachtlich und liegt wohl vor allem daran, dass sich um das Buch und den Autor ein so genannter „Literaturskandal“ entbrannt hat, weil vor zwei Wochen der Kritiker Georg Diez im „Spiegel“ schrieb, dass das Buch „durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht sei“ und das man daran sehen könne „wie antimodernes, demokratiefeindliches, totalitäres Denken seinen Weg findet hinein in den Mainstream.“ Zum Beweis zitiert Diez aus dem Buch und aus einem Mailwechsel Krachts mit David Woodward, einem amerikanischen, nun ja, Künstler. Danach war zwar nicht die Hölle los, aber immerhin sprangen allerlei Menschen, darunter Krachts Verleger, dem Schriftsteller bei, in dem sie an verschiedenen Stellen schrieben, so wie Diez seine Kritik geschrieben habe, ginge es nun wirklich nicht, darunter auch ein Mann, der offensichtlich nicht weiß, was ein Witz ist, der tatsächlich schreiben durfte: „Nun muss man in Diez indes einen Wegbereiter der Ironiefreiheit erkennen. Denn die meisten Zitate, die Diez für sein denunziatorisches Pamphlet böswillig aus dem Zusammenhang reißt, sind allenfalls Beweis für Krachts Humor.“ Andere meinten, Diez würde eine literarische Neuerscheinung „vernichten“.

So was reicht zum Skandal, und es geht jetzt nicht darum, das der eigentliche Skandal in dem Vernichtungswillen vieler Kritiker gegen Diez steckt oder darum, dass sich in all dem auch nur wieder ein Untertanengeist zeigt, der vielleicht das größere Problem darstellt. Es geht jetzt darum, ob es möglicherweise nicht mal ganz schön wäre, wenn es in diesem Land mal einen richtigen Skandal geben würde – und nicht Erregungsflashmobs. Oder hat jedes Land die Skandale, die es verdient?

In der Bundesrepublik wurde nie groß unterschieden zwischen Skandal und Affäre, so gab es zum Beispiel in den 60er Jahren den Contergan-Skandal und die Spiegel-Affäre, damals ging es noch um was, nämlich um eine unglaubliche Pharmasauerei und um die Wehrhaftigkeit der Demokratie und der Pressefreiheit. In dieser an sich eher unschuldigen Zeit gab es auch den einen oder anderen Skandalfilm, man beachte hierbei „Die Sünderin“ und „Das Schweigen“, und Skandale um die jeweilige Darstellung von Sexualität. Allerdings geht es bei deutschen Skandalen dann meist doch eher um Fußball und um Geld, gerne beides zusammen, wie zum Beispiel im so genannten Wett-Skandal. Es sind irgendwie spießige Skandale.

Ganz anders geht es da schon in den USA zu, die haben coole Skandale, zum Beispiel Watergate, Iran-Contra und natürlich die Lewsinky-Affäre. Da war was los, das wurde verfilmt, Präsidenten hatten mindestens ihre Finger im Spiel. Verglichen damit leben wir in einem quasi skandalfreien Land.

Ist das nun aber gut oder schlecht? Ich denke, das ist eigentlich ganz gut. Ich denke, das beweist, wie langweilig und harmlos die Deutschen am Ende doch sind.

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