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Meinung: Neues Spiel, neues Unglück

Von Lorenz Maroldt

Auch für Politiker gilt die Unschuldsvermutung, selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt. Das allein also ist im Fall des nun in der TempodromAffäre wegen Untreue angeklagten Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin noch kein zwingender Anlass zum Rücktritt. Etwas anders sieht die Sache allerdings aus, wenn das Gericht einen hinreichend begründeten Tatverdacht erkennt und das Verfahren eröffnet. Die Unschuldsvermutung bleibt zwar auch dann mindestens bis zu einem Urteil bestehen. Eine andere Vermutung dürfte jedoch schnell zur Gewissheit werden: Die Fähigkeit, ein Regierungsamt angemessen auszuüben, ist durch die physische und psychische Belastung während eines Prozesses stark eingeschränkt, zu stark wahrscheinlich. Einen Teilzeitsenator, der hauptsächliche mit seiner Verteidigung beschäftigt ist, wird sich das Land Berlin schwerlich leisten können. Ein verantwortungsvoller Regierender Bürgermeister wird deshalb schon jetzt einen Nachfolger suchen.

Die juristische Beurteilung der Affäre ist aber nur der eine Aspekt dieser Angelegenheit. Der andere, der politisch-moralische, ist bei der Beurteilung der rot-roten Landesregierung der relevantere. Die Vorgänge um das Tempodrom zeigen nämlich, unabhängig vom Ausgang der gerichtlichen Aufklärung, wie selbstverständlich auch dieser Senat die alten Berliner Spielchen fortsetzt. Der versprochene Wandel der politischen Kultur, verkündet vom damaligen SPD-Vorsitzenden Strieder auf den Trümmern der Bankgesellschaft, ist nicht vollzogen worden. Politische Freundschaften werden weiter mit öffentlichen Mitteln gepflegt, ungeachtet vom Nutzen für die Öffentlichkeit.

Das wird auch deutlich im Zusammenhang mit anderen Vorgängen, die sich bei den Ermittlungen im Fall Tempodrom ergaben. Einer der wichtigsten Akteure beim Bau des Tempodroms hat auch so genannte Sponsoring-Dinner für den damaligen SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit organisiert. Nur eine Pikanterie ist, dass Thilo Sarrazin, damals noch bei der Bahn AG, bald darauf Senator, mit 1000 Mark aus eigener Tasche dabei war. Zumindest unanständig allerdings ist es, zu solchen Veranstaltungen auch Chefs von öffentlich kontrollierten Unternehmen einzuladen und sie, die abhängig sind mal von Landesmitteln, mal vom Wohlwollen der Regierenden, zu Spenden aufzufordern. So aber ist es geschehen. Man fand das wohl aus Erfahrung normal. Ein Neuanfang sieht anders aus.

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