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Heinz Buschkowsky.

© Kitty Kleist-Heinrich

Neukölln und die Welt: Der Fall des Kronzeugen Buschkowsky

Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky gilt als Klartextredner und wird von Sarrazin und Co gern als Kronzeuge angeführt. Klartext hilft vielleicht zur Stimmungsmache, nicht aber zur Lösung politischer Aufgaben. Ein Kommentar.

Die Karriere des Königs aus dem Neuköllner Inselreich ist unvollendet, doch dem Herrscher dämmert, dass die Mächtigeren ihn nicht zu Größerem berufen werden. Ein Integrationsministerium oder ein Beauftragter im Bund sei wichtig, sagt Heinz Buschkowsky dieser Tage, sonst gäbe es zum Schlüsselthema „nur Hofberichterstattung“; doch klar, seine Partei, die SPD, sie würde ihn niemals dafür ausersehen.

Hofberichterstattung ist Buschkowskys Sache nicht, er redet Klartext, nicht nur in seiner „Bild“-Kolumne gleichen Namens, auch auf jedem Podium, das der Mann erklimmt, in jedem Interview, das mit ihm erscheint. Klartext scheint es gewesen zu sein, was das Land entbehren musste, und weil der Bürgermeister die Lücke trotz überregionaler Resonanz nur unzureichend füllt, stieß vor einem Jahr Thilo Sarrazin hinein, und hinterher hüpft jetzt Ex-ARD-Mann Joachim Wagner, weil er in muslimischen Friedensrichtern eine Paralleljustiz entdeckt, die „unseren Rechtsstaat gefährdet“.

Sarrazin, Wagner und vielen anderen ist gemein, dass sie Buschkowsky als authentischen Kenner der Verhältnisse anführen, als eine Art Kronzeuge des Milieutreibens vor und hinter großstädtischen Häuserfronten, dazu mit SPD-Ticket, das ihn als Menschenfreund ausweist. Glaubwürdiger kann keiner Klartext reden, entsprechend hat sich der Blick aus dem Neuköllner Rathausfenster zur gültigen politischen Perspektive erweitert. Nur – wie authentisch ist sie?

Für „Schwachmaten“ hält Buschkowsky Amtsrichter, die Bußgelder seines Bezirks nicht einfach durchwinken. Einen Fall hat er dafür herausgegriffen, wegen Alkoholausschank an Minderjährige. Zum Termin hielt es das Neuköllner Ordnungsamt, entgegen Gepflogenheiten und gerichtlichem Hinweis, nicht für nötig aufzutauchen. In der Sache liegt er ohnehin schief. Kein Richter ist eine Schlafmütze, der für so eine Angelegenheit vier Zeugen auflaufen lassen muss, weil die Beweislage unklar war und es offenkundig geblieben ist. Welchen Experten der Bezirkschef entsandte, um alles besser zu wissen, bleibt zu Recht sein Geheimnis.

Ein schöner Kronzeuge, der ohne eigenen Blick in die Akte und nur durch Erkenntnisse vom Hörensagen zu einer öffentlichen Justizbeschimpfung ansetzt, wie es sie selten gab. Pardon, aber wo sitzen die „Schwachmaten“? Im Gericht? Im Ordnungsamt? Auf dem Bürgermeistersessel? Sind ähnlich dürftig auch die Quellen, aus denen Buschkowsky seine migrationspolitische Weisheit schöpft?

Man muss, anders als es ein geübter Klartextredner tun würde, diese Fragen nicht gleich beantworten. Wenn die Sarrazin-Debatte eines gezeigt hat, dann, dass Klartext helfen mag, Mehrheiten zu sammeln und Stimmung zu machen – zur Beschreibung oder gar Lösung politischer Aufgaben drängt er sich nicht auf und eignet sich auch nur begrenzt. Deutschland schafft sich nicht ab, obwohl Thilo Sarrazin dies mit seinem Taschenrechner ermittelt zu haben glaubte, Richter sind keine Schwachmaten, obwohl Heinz Buschkowskys Bauchgefühl anderes sagt, der Rechtsstaat ist nicht gefährdet, und es entsteht keine islamische Paralleljustiz, wenn in einzelnen Verfahren Akteure auftauchen, die Zeugen beeinflussen.

Deutsche und Nichtdeutsche leben gut miteinander, die Justiz funktioniert auch mit Friedensrichtern und ohne Kirsten Heisig. Jemand muss es Buschkowsky sagen. Bei Sarrazin ist es zu spät.

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