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Meinung: Nicht alles ist verhandelbar

Naiv sind wir nicht. Schon morgen kann die Front wieder bröckeln.

Naiv sind wir nicht. Schon morgen kann die Front wieder bröckeln. Jemand knickt ein, warnt davor, die Gegenseite zu provozieren, relativiert die eigenen Werte. Dann wäre alles wie gehabt, traurig, aber real. Doch bislang hat die Bundesregierung, ja, die gesamte Europäische Union, Respekt verdient. Im Umgang mit der dreifachen Herausforderung – Iran, Hamas, Meinungsfreiheit – trifft sie den richtigen Ton. Da ist kein Wenn und Aber zu hören. Beschönigt wird nichts, beschwichtigt niemand. Die Richtung gab Angela Merkel auf ihrer ersten Nahostreise als Kanzlerin vor. Drei klare Bedingungen stellte sie an die radikalislamische Hamas, die auf der Terrorliste der EU steht: Anerkennung Israels, Gewaltverzicht, Akzeptanz der bisherigen Ergebnisse des Friedensprozesses. Als Druckmittel dienen die Finanzhilfen.

Erfreulich abgeklärt fallen auch die Reaktionen auf die taktischen Manöver Teherans aus. Die Atompolitik Irans bedrohe nicht nur Israel, sondern alle demokratischen Länder dieser Erde, sagte Merkel. Präsident Mahmud Ahmadinedschad habe eine „rote Linie“ überschritten. Solch unmissverständliche Worte lassen hoffen: Deutschland und Europa scheinen das Problem mittlerweile so ernst zu nehmen, wie es ist. Also sehr ernst.

Und schließlich die Meinungsfreiheit. Im September hatte eine dänische Zeitung nicht eben vorteilhafte Karikaturen des Propheten Mohammed abgedruckt. Viele Muslime erbost das – Blasphemie! – wegen des islamischen Bilderverbots. Das lässt sich verstehen. Inakzeptabel indes ist es, wenn nun EU-Büros im Gazastreifen gestürmt, arabische Botschafter aus Kopenhagen abgezogen und dänische Waren in muslimischen Ländern boykottiert werden. Aus Brüssel heißt es, ebenfalls unmissverständlich: Ein Boykott Dänemarks werde als Boykott der gesamten EU bewertet. Und der dänische Ministerpräsident, der eine Entschuldigung ablehnt, sagt, die Veröffentlichung der Zeichnung sei ein „nicht verhandelbarer“ Ausdruck der Meinungsfreiheit in seinem Land. Bravo, so viel – zumindest rhetorische – Wehrhaftigkeit haben die europäischen Demokratien selten bewiesen. Der Ton ist neu, und er stimmt. Das zeugt von Mut. Denn abhängig ist der Westen immer noch, etwa vom Erdöl aus Saudi-Arabien und Iran. Bloß erpressen lässt er sich offenbar nicht mehr so leicht.

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