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Meinung: Nicht die Natur dem Kommerz opfern

Wir brauchen ein Moratorium bei der grünen Gentechnik Von Markus Söder

Bis zum Ende dieses Monats stellt die Bundesregierung Eckpunkte für ein neues Gentechnikgesetz vor. Damit werden die Weichen für den Umgang mit der grünen Gentechnik in Deutschland für das nächste Jahrzehnt gestellt. Weltweit ist der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auf dem Vormarsch – in den USA etwa ist er bei Soja, Mais oder Raps längst gängige Praxis. Bei uns allerdings sind viele Menschen skeptisch. Verbraucher, Eltern von kleinen Kindern, Vertreter von Kirchen, Landwirte oder Imker fragen: Gibt es ein Risiko für die Gesundheit? Sind die Folgen für Umwelt und Ökosysteme hinreichend erforscht? Wie und wann gibt es einen konkreten Nutzen? Und wie weit darf man in die Schöpfung eingreifen?

Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen. Natürlich ist die Gentechnik insgesamt eine Technologie mit Zukunft – zum Beispiel die so genannte rote Gentechnik, die in der Medizin zur Entwicklung neuer Therapien und Medikamente zum Einsatz kommt oder die graue Gentechnik, die neue Chemikalien für die Industrie erzeugen kann. Auch die grüne Gentechnik bietet viele Chancen: Pflanzen brauchen weniger Wasser, sie können zur energetischen Nutzung erzeugt und unempfindlicher gegen Schädlinge gemacht werden.

Doch noch sind rund 80 Prozent der Menschen gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel. Ohne breite Akzeptanz jedoch wird grüne Gentechnik nicht funktionieren: Solange die Verbraucher nicht völlig sicher sein können, dass genetisch veränderte Nahrungsmittel unbedenklich sind, werden sie sich im Supermarkt gegen diese Produkte entscheiden. Und kein Landwirt wird Pflanzen anbauen, die niemand kaufen will. Das freilich wäre das Aus für die grüne Gentechnik, noch bevor sie richtig gestartet ist. Darüber hinaus sollten wir aber auch eines nicht vergessen: Mit Designpflanzen aus dem Genlabor greifen wir in bisher nicht gekannter Weise in die Natur ein. Für die CSU jedoch ist der Mensch als Teil der Schöpfung dazu verpflichtet, diese zu bewahren und zu erhalten. Ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt hat für uns daher hohe Priorität.

Deshalb ist es folgerichtig, bei der grünen Gentechnik mit Augenmaß zu handeln. Denkbar wäre, die Anbauflächen für Genpflanzen – in Deutschland derzeit rund 350 Hektar – zu konzentrieren und Freiland-Versuchsfelder auf den Umfang zu begrenzen, der für die Forschung zwingend notwendig ist. Damit setzen wir das Signal, dass für uns Sicherheit vor bloßen Kommerz geht. Nur eine vollständig ausgereifte Technologie darf letztlich auch zum Einsatz kommen. Außerdem muss die Haftungsfrage fair geregelt werden. Wir dürfen die Landwirte hier nicht alleine lassen. Daher brauchen wir einen Haftungsfonds für den Fall, dass genveränderte Pflanzen sich auf Nachbarfeldern aussäen und Schaden anrichten. Einen solchen Fonds müssen Wirtschaft und Versicherungen finanzieren, die mit der Gentechnik Gewinne einfahren wollen. Steuermittel sind dafür tabu.

Angesichts der vielen offenen Fragen bei der grünen Gentechnik sollten wir weiter intensiv diskutieren – und forschen. Wir brauchen eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Risikoanalyse. Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte über die ethischen Grenzen gentechnischer Eingriffe in die Natur.

Und für die Menschen muss erkennbar sein, welchen konkreten Mehrwert die grüne Gentechnik wann erbringen kann. Deswegen ein eindeutiges Ja zur Forschung, aber kein vorschneller Einstieg in die kommerzielle Nutzung. Als Vorbild könnte hier die Schweiz dienen, die einen fünfjährigen Aufschub für Gentechnik in der Landwirtschaft beschlossen hat. Ein solches freiwilliges Moratorium für kommerzielle Nutzung würde auch bei uns helfen, heute bestehende und berechtigte Vorbehalte durch solide und beständige Forschungsergebnisse abzubauen.

Der Autor ist Generalsekretär der CSU.

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