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Meinung: Nicht ganz so schamlos

Deutschland und Frankreich brauchen mehr Etatdisziplin

Es ist mal wieder so weit: Der Stabilitätspakt gerät unter Beschuss. Durch die üblichen Verdächtigen, Frankreich und Deutschland. Schröder betonte am Mittwoch erneut die Flexibilität des Regelwerkes – und bestätigte damit Gerüchte darüber, dass Finanzminister Eichel sein Sparpaket nicht schnüren kann, ohne den Stabilitätspakt 2004 zu verletzen. Der französische Finanzminister wehrte sich am Dienstag in Luxemburg starrköpfig gegen die Vorgabe, das strukturelle Defizit 2003 um 0,5 Prozentpunkte zu senken. Frankreich und Deutschland spielen ein gefährliches Spiel. Es ist richtig, sich in Zeiten schwacher Konjunktur nicht kaputt zu sparen. Aber mit dem wiederholten Infragestellen und Missachten des Paktes schaden sie seiner Glaubwürdigkeit – und sich selbst.

Es ist in der Tat unwahrscheinlich, dass Eichel es schafft, die 15 Milliarden Euro einzusparen, die er braucht, um im nächsten Jahr die Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes einzuhalten. Dort, wo es am meisten zu holen gäbe, im Gesundheitsministerium, wehrt sich Ulla Schmidt vehement dagegen. Auch bei den anderen Kabinettskollegen müsste Eichel große Überzeugungsarbeit leisten. Die Drei-Prozent-Grenze des Stabilitätspaktes ist aber gar nicht das Hauptproblem. Denn der Pakt ist flexibel, und die Kommission, die über ihn wacht, nutzt diese Flexibilität: Ende Mai verzichtete sie darauf, Deutschland detaillierte Empfehlungen zur Haushaltssanierung zu geben. Finanzkommissar Solbes hatte sogar positive Worte für Eichel übrig. Gegen den Haushaltssünder Frankreich wurde am Dienstag zwar ein Defizitverfahren eingeleitet und gefordert, sich bis 2004 zu disziplinieren. Den Ausfall für dieses Jahr tolerierte Solbes jedoch großzügig. Selbst wenn es 2004 einen neuen Ausrutscher gäbe, würden Berlin und Paris nicht automatisch milliardenschwere Geldstrafen bekommen. Springt das Wachstum auch in der zweiten Jahreshälfte nicht an, wird die Kommission dies in ihr Urteil mit einbeziehen.

Aber die beiden Länder müssen zeigen, dass sie sich ernsthaft um Etatdisziplin bemühen. Daran mangelt es: Die Reformen der Sozialsysteme müssen gründlich angegangen werden, und nicht streikenden Beamten oder parteiinternen Streitereien zum Opfer fallen. Der Stabilitätspakt hat seinen Sinn, da er eine solide Finanzpolitik und nötige Strukturreformen fördert. Wer strukturell spart, kann mit Toleranz aus Brüssel rechnen.

Flora Wisdorff

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