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Meinung: Nicht ohne seine Paläste

Was Schröder und Fischer tun können, um einen Irak-Krieg doch noch zu verhindern

Von Christoph von Marschall

Erleichterung ist zu spüren. Das Klima zwischen Amerika und Deutschland scheint sich zu verbessern. Präsident Bush hat einen warmherzigen Glückwunsch zum Tag der deutschen Einheit geschickt, ohne den Ärger der Wochen zuvor auch nur zu erwähnen. Der Jubel für Bill Clinton in Berlin ließ erkennen, dass sich die Deutschen nach Einverständnis mit Amerika sehnen. Was Sachstreit nicht ausschließt; den gab es auch, als Clinton Präsident war – von der Klimapolitik über Handelsfragen bis zur Raketenabwehr.

Und doch ist das noch nicht die Wende zu den gewohnt guten Beziehungen. Es ist nur ein Zwischenhoch. Die nächsten Wochen werden wieder härter. Die Meinungsunterschiede über den richtigen Umgang mit dem Irak sind geblieben. Der Streit wird durch den Verlauf der Verhandlungen über zuverlässige Rüstungskontrollen sogar angefacht.

So sah die Kriegsverhinderungsstrategie bis vor wenigen Tagen aus: Hans Blix, der oberste UN-Kontrolleur für den Irak, wollte schon Mitte Oktober mit neuen Inspektionen beginnen. Umstritten war nur noch, ob der Sicherheitsrat vorab eine scharfe Resolution verabschiedet, die Militärschläge erlaubt, sobald Saddam trickst. Das verlangen die USA. Oder ob dazu eine zweite Resolution erforderlich ist, wie Frankreich argumentiert, weil es den USA keine Blankovollmacht ausstellen will. Oder überhaupt keine neue Resolution, weil man doch auf Grundlage der vorhandenen kontrollieren kann, wie Russland meint. Wie auch immer: Wenn Bagdad diesmal kooperiert, hätte Amerika keinen Vorwand für einen Angriff. Wenn Saddam jedoch gleich in den ersten Wochen lückenlose Kontrolle verhindert, müssten selbst die Wohlmeinenden annehmen, dass er Verbotenes zu verbergen sucht. Dann täten sich auch Moskau und Peking schwer, die Erlaubnis zur Intervention zu verweigern. Paris ist ohnehin bereit, Gewalt anzuwenden, wenn nötig, will nur keinen Automatismus in der ersten Resolution.

Es sah ganz nach einem Erfolg der Anti- Kriegs-Strategen aus: Hans Blix hat bei den zweitägigen Verhandlungen mit Saddams Abgesandten in Wien eine Einigung erzielt – auf Basis der alten UN-Resolutionen, wie Bagdad betont. Und doch können die Kontrolleure nicht reisen. Die USA verweigern die Zustimmung. Ein Beleg für den Verdacht, dass es Amerika gar nicht um Waffenkontrolle geht, sondern nur um einen Vorwand, um anzugreifen und Saddam zu stürzen?

So könnte es scheinen. Doch Präsident Bush hat diesmal gewichtige Kronzeugen. Blix selbst findet es nicht sinnvoll, ohne eine neue UN-Resolution mit den Inspektionen zu beginnen. Und UN-Generalsekretär Kofi Annan räumt ein, man brauche neue, schärfere Regeln, damit sich „gewisse Schwächen aus der Vergangenheit nicht wiederholen“.

Bei der angeblichen Einigung in Wien blieb nämlich die entscheidende Frage ausgeklammert. Nach den alten Abmachungen durften die Kontrolleure Saddams „private“ Paläste nur nach Voranmeldung inspizieren, nicht aber zu überraschenden Stichproben. Diese Paläste sind nicht Lustschlösser eines Diktators, sondern acht riesige Komplexe in verschiedenen Landesteilen mit weit über tausend Gebäuden und einer Fläche von rund 30 Quadratkilometern. Eben dort werden Fabriken und Lager von Massenvernichtungswaffen vermutet. Luftbilder aus früheren Jahren, auf denen hoch bepackte Lkw vor angemeldeten Kontrollen die Palastanlagen verließen, haben den Verdacht verstärkt.

Hinter Bagdads scheinheiliger Formulierung, es gebe eine Einigung mit Blix auf Grundlage der alten UN-Resolutionen, verbirgt sich die Weigerung, die Paläste diesmal bedingungslos für Kontrollen zu öffnen. Dieses Spiel machen auch Blix und Annan nicht mit. Eine neue, härtere UN-Resolution ist nötig, die Saddam zwingt, die Paläste zu öffnen.

Nur: Wie kriegen die Sicherheitsratsmitglieder die Kurve, die behauptet hatten, eine neue Resolution sei unnötig – ohne den Anschein zu erwecken, sie beugten sich, weil Amerika Recht behalten habe? Moskau einbinden: Das war früher eine Aufgabe für deutsche Diplomatie. Der Krieg, den Schröder und Fischer für ein unkalkulierbares Risiko halten, ist nur zu verhindern, wenn der politische Druck auf Saddam so groß wird, dass er lückenlose Kontrollen zulässt.

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