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Meinung: Nordirland-Konflikt: Katz und Maus

Letzte Woche verkündete die IRA großspurig, sie habe einen Vorschlag zur endgültigen, überprüfbaren Entsorgung ihrer Waffen unterbreitet, gestern nahm sie das - noch immer geheime - Zugeständnis wieder vom Tisch. Dieser Schritt entspringt taktischen Überlegungen, ändert aber letztlich nicht viel an der politischen Gleichung, die es zu lösen gilt.

Letzte Woche verkündete die IRA großspurig, sie habe einen Vorschlag zur endgültigen, überprüfbaren Entsorgung ihrer Waffen unterbreitet, gestern nahm sie das - noch immer geheime - Zugeständnis wieder vom Tisch. Dieser Schritt entspringt taktischen Überlegungen, ändert aber letztlich nicht viel an der politischen Gleichung, die es zu lösen gilt. Es ist anzunehmen, dass die IRA etwas präziser als bisher festlegte, wie sie ihre Arsenale unschädlich machen will, aber über das wann schwieg sie sich aus. Die britische und die irische Regierung wissen seither, dass die IRA zu diesem Schritt bereit ist. Die Rücknahme des Vorschlages entwertet diese Tatsache nicht; verhandlungstechnisch ist dieses Gelände erobert.

Und doch folgt das Verhalten der IRA einer inneren Logik, die sich allmählich zur Gesetzmäßigkeit verdichtet: Die IRA reagiert nur auf extremen Druck, sie hat noch nie eine Initiative ergriffen, wenn die klimatischen Umstände günstig waren. Deshalb greifen die protestantischen Parteien Nordirlands, namentlich die Unionistenpartei des zurückgetretenen Chefministers David Trimble, zum Mittel des Ultimatums. Damit haben sie immer wieder kleine Zugeständnisse erpresst, aber nie das gewünschte Ergebnis erzielt. Die IRA macht einen halben Schritt, wenn sie einen ganzen machen sollte, oder sie läuft in eine gänzlich andere Richtung, um den Gegner zu verwirren.

Der Effekt dieses Ping-Pong-Spiels schadet dem politischen Prozess und der Vertrauensbildung, aber er fördert mittelbar die langfristigen Ziele der IRA und ihrer politischen Zwillingsschwester, der Sinn-Féin-Partei. So werden die Zugeständnisse der britischen Regierung im Bereich der Polizeireform nun von Sinn Féin einkassiert, aber die Entwaffnung kommt nicht wirklich vom Fleck. Die Leidtragenden sind jene Unionisten, die unverändert positiv mit dem Friedensprozess umgehen. Natürlich waren sie es, die sich die verfluchte Entwaffnung einst ausgedacht haben, aber inzwischen bestätigt das Taktieren der IRA die Zweifel der Friedensgegner. Und wenn dann gleichzeitig auch noch Nachrichten aus Kolumbien kommen, wonach IRA-Leute dort Guerilleros ausbilden, dann darf man sich nicht wundern, wenn immer mehr Unionisten zum Schluss kommen, die IRA behandle sie so, wie eine Katze mit einer gefangenen Maus umspringt. Im Fall Nordirland soll die Maus auch noch freiwillig mitspielen.

Und so bestätigt sich einmal die Einsicht, dass die Demokratisierung einer gewalttätigen und schlagkräftigen Untergrundorganisation komplex und unappetitlich ist. Die Regeln der demokratischen Hygiene sind außer Kraft gesetzt, der Erfolg ist fraglich.

Martin Alioth

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