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Nordkorea: Kauft Kim

Die Chancen stehen gut, dass der US-Präsident Nordkorea die Bombe abhandeln könnte.

In der Weltpolitik sind es manchmal die Zwischentöne, die die Musik machen. Vergangene Woche ging die Schlagzeile um die Welt, Washington habe Nordkorea von der Liste der Terrorstaaten gestrichen. Gemeldet hatte dies die nordkoreanische Staatsagentur KCNA. Ein paar Stunden später korrigierte der amerikanische Chefunterhändler: Das Regime bleibe auf der Terrorliste, bis es seine Nuklearanlagen und Atomwaffen aufgebe.

Noch größer war die Verwirrung dann, als der US-Präsident am Rande des Asien-Pazifik-Gipfels vor die Presse trat: „Wir freuen uns auf den Tag, wenn wir den Koreakrieg beenden können. Das wird passieren, wenn Kim Jong Il nachprüfbar sein (atomares) Waffenprogramm demontiert hat“, sagte Bush. Experten sahen darin ein indirektes Angebot an das Regime für einen Friedensvertrag. Weil der Koreakrieg (1950–53) nur mit einem Waffenstillstand endete, sind die USA und Nordkorea bis heute formal im Kriegszustand.

Zwei diplomatische Missverständnisse in einer Woche? Wohl kaum. Just diese beiden Themen sind die Hauptforderungen Pjöngjangs in dem Atomstreit: Nordkoreas Diktator geht es um mehr als Öllieferungen und Wirtschaftshilfen, nämlich um die Streichung seines Landes von der Liste der Terrorstaaten und, zweitens, um Verhandlungen über einen Friedensvertrag.

Die diplomatischen Andeutungen aus Washington dürften deshalb wohl kalkuliert sein. Bush winkt mit dem großen Preis der politischen Annäherung. Für Nordkorea würde dies das Ende der politischen Isolation und möglicherweise der Wirtschaftsmisere bedeuten. Was die USA dafür im Gegenzug verlangen, ist bekannt: Nordkorea soll all seine Atomanlagen schließen und internationale Inspekteure ins Land lassen, und das möglichst bis Ende des Jahres.

Die Chancen für einen Durchbruch auf der koreanischen Halbinsel stehen so gut wie nie zuvor während der Bush-Regierung. Vor der nächsten Runde der Sechs-Nationen-Gespräche ließ Nordkorea UN-Inspektoren ins Land, um die Atomanlagen zu begutachten.

Beide Seiten haben ein Interesse an einer friedlichen Lösung des Atomstreits. Für Bush, der im Irak nichts mehr zu gewinnen hat, ist Nordkorea die einzige Chance, das Weiße Haus mit einem „positiven Vermächtnis“ zu verlassen. Ähnlich mag Kim denken. Der 65-Jährige hat bislang keinen seiner Söhne als Nachfolger installieren können. Mit einem Friedensvertrag müsste er sich weniger Sorgen machen, im Alter für seine Untaten zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Washington ist im Umgang mit Nordkorea ein gebranntes Kind. Mitte der 90er Jahre hatte Jimmy Carter schon einmal einen Atomkompromiss ausgehandelt, der dann von Pjöngjang unterlaufen wurde. Trotzdem müssen die USA jetzt über ihren Schatten springen. Im Grunde geht es darum, das Regime zu kaufen: Mit politischen Zugeständnissen wie einem Friedensvertrag, mit Prestige, etwa durch einen Staatsbesuch, notfalls auch mit Geld und Wirtschaftshilfen. Wenn es Bush gelingt, Kim die Bombe wieder abzuhandeln, wäre das in der Tat ein Vermächtnis.

Harald Maass

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