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Nordrhein-Westfalen: Das Ende eines Arbeiterführers

Jürgen Rüttgers heißt der klare Wahlverlierer der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Seine Tage als CDU-Landeschef sind gezählt. Es wäre besser gewesen, er hätte sein Amt schon am Wahlabend zur Verfügung gestellt. Doch seine Partei fürchtet die Diadochenkämpfe.

Jürgen Rüttgers stand der Schock ins Gesicht geschrieben, bleich war er und offensichtlich fühlte er sich persönlich getroffen. Mit einem solchen Absturz hatte der selbsternannte Arbeiterführer von Nordrhein-Westfalen nicht gerechnet. In einem kurzen Statement übernahm der 58-Jährige am Sonntag kurz nach 18 Uhr die Verantwortung für die Niederlage der CDU bei der Landtagswahl, dann tauchte er ab. Den ganzen Abend warteten seine Anhänger im Garten der Parteizentrale in Düsseldorf auf ein paar tröstende und aufbauende Worte. Doch Rüttgers zog es vor, sich in seinem Arbeitszimmer zu verschanzen. Das Licht brannte dort lange, die Rollos blieben unten, von Zeit zu Zeit ließ er sich ein Glas Bier bringen. Mit seinen engsten politischen Vertrauten wartete der Christdemokrat auf verlässliche Zahlen.

Aber auch am nächsten Morgen, als das amtliche Endergebnis veröffentlicht war und die CDU doch hauchdünn stärkste Partei geworden war, ging der geschlagene Ministerpräsident zunächst allen Kameras aus dem Weg. Erst vor der Präsidiumssitzung in Berlin stellte sich Rüttgers kurz den Journalisten, wich aber der Frage nach seiner persönlichen Zukunft aus.

Souverän wirkte dies alles nicht. Ein überzeugender Auftritt hätte an einem für die CDU so schwiegen Wahlabend sicher anders ausgesehen, und es wäre besser gewesen, Rüttgers hätte nicht nur seine Niederlage eingestanden, sondern auch sein Amt zur Verfügung gestellt. Ein Verlust von zehn Prozentpunkten verlangt nach einer Erklärung, verlangt nach Konsequenzen. Rüttgers hat sich anders entschieden, besser gesagt: er wurde von seinen Parteifreunden dazu gedrängt.

Rüttgers macht erst einmal weiter

Schnell war am Sonntagabend in Düsseldorf durchgesickert, dass Rüttgers zum Rücktritt entschlossen sei und er dem Landesvorstand diesen angeboten habe. Während der CDU-Generalsekretär Andreas Krautscheid entsprechende Gerüchte noch dementierte, plauderten andere Mitglieder des Landesvorstandes bereits Details aus der Krisensitzung aus. Demnach sollen die Mitglieder des Landesvorstandes Rüttgers regelrecht angefleht haben, die Brocken nicht hinzuschmeißen. Einstimmig baten diese den Ministerpräsidenten, zunächst an Bord zu bleiben und für mögliche Verhandlungen über die Regierungsbildung zur Verfügung zu stehen. Zu groß ist in der nordrhein-westfälischen CDU die Angst, dass in dem Landesverband alte Flügelkämpfe wieder aufbrechen, zu groß ist die Sorge, dass der Kampf um die Nachfolge die Partei in dem jetzt beginnenden Machtpoker mit der SPD lähmt.

Rüttgers macht also zunächst weiter, trotzdem ist er nur noch ein Landesvater und ein Landesvorsitzender auf Abruf. Die Niederlage der CDU ist auch seine ganz persönliche Niederlage, da hilft es auch nichts, wenn nun Christdemokraten in Berlin und Düsseldorf mit wohlabgestimmten Worten auf Gründe in der Landes- sowie in der Bundespolitik verweisen und dazu verkünden, man habe "gemeinsam gekämpft und gemeinsam verloren".

Der Ministerpräsident hat auch ganz persönlich verloren. Er hat sein Wahlziel, die angestrebte Fortsetzung der schwarz-gelben Landesregierung, klar verfehlt. Auch für ein Bündnis mit den Grünen, über das im Vorfeld des Urnenganges viel spekuliert wurde, reicht es nicht. Rüttgers hatte den Wahlkampf ganz auf seine Person zugeschnitten, mit hohem persönlichem Einsatz gekämpft und er ist deshalb auch persönlich gescheitert. Alle in der CDU wissen zudem, dass die Skandale um gekaufte Gesprächstermine mit dem Ministerpräsidenten und möglicherweise falsch deklarierte Parteispenden, zusätzlich auf ihm lasten. Noch vor wenigen Monaten sah er wie der sichere Sieger aus, doch nach dem sich auch in der Landespolitik die negativen Schlagzeilen häuften, stürzte die Partei in der Wählergunst ab. Rüttgers wird nicht zu halten sein.

Ein Vergleich mit Hessen

Natürlich verweisen viele Christdemokraten nun auf Hessen, auch dort hatte Ministerpräsident Roland Koch im Januar 2008 eine herbe Niederlage und sogar einen Verlust von 12 Prozentpunkten erlitten. Koch saß die Niederlage aus, wies jeden Hinweis auf seine persönliche Verantwortung für die Niederlage zurück und sah genüsslich zu, wie die SPD sich bei dem Versuch zerlegte, ein Linksbündnis zu schmieden. Ein Jahr später feierte er bei vorgezogenen Neuwahlen sein Comeback.

Doch Nordrhein-Westfalen ins nicht Hessen, Rüttgers nicht Koch. Auch das Verhältnis zwischen CDU und SPD ist in Düsseldorf nicht so zerrüttet wie in Wiesbaden. Der Hesse Koch hatte darüber hinaus über Jahre den ganzen Landesverband auf sich eingeschworen und er konnte sich auch auf die Loyalität der hessischen Liberalen verlassen. Im der NRW-CDU gibt es traditionell Rivalitäten zwischen den beiden Landesteilen, bevor Rüttgers dort antrat, hatte sich die nordrhein-westfälische CDU jahrelang vor allem mit sich selber beschäftigt. Rüttgers hat in der Partei jedoch nur wenig Vertraute. Auch die FDP wird in NRW nicht auf Dauer gegenüber der Union Versallentreue üben. Bei den Liberalen hat nach der Niederlage bereits eine Debatte darüber begonnen, ob sich die Partei nicht gegenüber SPD und Grünen öffnen müsse, wenn sie in einem Fünf-Partzeiensystem machtpolitisch nicht ins Abseits geraten will.

Die Prominenz der NRW-CDU sitzt in Berlin

Die nordrhein-westfälische CDU kann also nicht aufs Aussitzen setzen. Rüttgers steht unter Druck, auch wenn ihm seine Parteifreunde zunächst das Vertrauen ausgesprochen haben. Längst haben sich mögliche Nachfolger ins Spiel gebracht, der Integrationsminister Armin Laschet vertrat Rüttgers am Wahlabend in den TV-Runden und gilt als Favorit für die Nachfolge als Ministerpräsident. Laschet gilt, ähnlich wie Rüttgers, als Vertreter des linken CDU-Flügels. Er wird mit der SPD in einer gemeinsamen Landesregierung gut zusammenarbeiten können. Hoffnungen macht sich offenbar aber auch Generalsekretär Krautscheid. Das Problem ist, beide sind keine politischen Schwergewichte in der Union und außerhalb des Landes kaum bekannt, im Bund werden sie eher belächelt.

Dabei ist Nordrhein-Westfalen an der Spitze der Bundes-CDU breit und prominent vertreten. Der Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und der Umweltminister Norbert Röttgen kommen genauso aus NRW wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und Bundestagspräsident Nobert Lammert. Aber keinen kann Merkel jetzt in die Landespolitik schicken, um die Union in dem bevölkerungsreichsten Bundesland zu stabilisieren. Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen schreibt vor, dass der Ministerpräsident dem Landtag angehören muss. Röttgen kommt allerdings ins Spiel, wenn es darum geht, einen neuen Landesvorsitzenden zu suchen. Die Diskussionen um die Nachfolge von Jürgen Rüttgers haben hinter den Kulissen längst begonnen, zumal die SPD sich voraussichtlich nur dann auf Gespräche über die Bildung einer großen Koalition einlassen wird, wenn Rüttgers auf eine zweite Amtszeit verzichtet.

Nicht an Hessen erinnert das Szenario, das sich in Düsseldorf in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln könnte, sondern an Thüringen. Auch dort hatte es nach der Landtagswahl im August 2009 ein Patt gegeben, auch da stand der Ministerpräsident Dieter Althaus einer großen Koalition im Wege. Also drängte die Partei ihn aus dem Amt. Die Tage von Jürgen Rüttgers an der Spitze des Landes Nordrhein-Westfalen und an der Spitze des CDU-Landesverbandes sind gezählt.

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