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Meinung: NPD-Aufmarsch: Zwischen den Fronten die Bürger

Die NPD ist eine ziemlich ekelhafte Partei. Rechtsextreme Demonstrationen entlang einer Route mit Erinnerungsstätten an das jüdische Leben in Berlin, vorbei an der Synagoge und dem Centrum Judaicum, wären ausgesprochen widerwärtig.

Die NPD ist eine ziemlich ekelhafte Partei. Rechtsextreme Demonstrationen entlang einer Route mit Erinnerungsstätten an das jüdische Leben in Berlin, vorbei an der Synagoge und dem Centrum Judaicum, wären ausgesprochen widerwärtig. Ein von der NPD organisierter Aufzug durchs Scheunenviertel müsste jeden Demokraten empören. Zu verhindern war diese Anhäufung von Scheußlichkeiten bis gestern Morgen angeblich nicht. Plötzlich ging es dann doch. Dennoch war das Ergebnis alles andere als befreiend, ganz im Gegenteil.

Wir haben verstanden: Das Demonstrationsrecht gilt auch für die Feinde des Rechtsstaates, so lange das Verfassungsgericht ihnen nicht die Betätigung verboten hat. Aber was in jedem Fall zu verhindern gewesen wäre, war das völlige Chaos nördlich der Hackeschen Höfe, die Verwirrung und Gefährdung zehntausender von Menschen. Die Polizeitaktik der totalen Verschleierung mag für die Ordnungsmacht selbst die eleganteste gewesen sein. Für die Bürger wuchs sie sich zur Zumutung aus. In der Mitte Berlins wirkte ein ganzer Stadtteil wie im Belagerungszustand. Hilflose Menschen versuchen - orientierungslos und von der Polizei ganz bewusst auch in völliger Ratlosigkeit gelassen - sich von der Demonstration weg zu bewegen: weg von einer Demonstration, von der sie nicht wissen, wo sie überhaupt stattfand.

Schon seit Tagen mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die Polizei in letzter Stunde den Marsch der Rechtsextremisten auf der von der NPD in bewusst provokativer Absicht gewählten Route verhindern, einen anderen Weg vorschreiben würde. Für dieses Spiel auf Zeit mochte es gute Gründe geben. Zum Beispiel den, gewaltbereiten linken Gegendemonstranten die Möglichkeit zu nehmen, sich vorbereitete Stellungen entlang der Marschroute zu suchen. Dass rechtlich eine Verlegung nicht möglich sein würde, hat vermutlich nicht einmal der Polizeisprecher wirklich geglaubt. Krakelende Nazis vor der Synagoge - so weit reicht denn nun auch die überstrapazierte Toleranz des Versammlungsrechtes (hoffentlich) nicht. Ob die erhoffte Trennung von rechten und linken Extremisten durch diese Taktik dauerhaft gelang, wird man wohl erst heute früh endgültig abschätzen können.

Fest steht: Die Unklarheit über den tatsächlichen Verlauf der Demonstrationsroute brachte Menschen in Gefahr. Dass die Polizei jede Auskunft dazu verweigerte, wird sie taktisch begründen. Unverantwortlich war es dennoch. Die oberste Aufgabe der Polizei wäre hier der Schutz Unschuldiger und Unbeteiligter gewesen. Völlig rätselhaft auch der Umgang mit hunderten von Berlinern, die einem Aufruf des DGB folgten und demonstrativ die Wehrmachtsausstellung besuchen wollten. Wenn man kein bekanntes Gesicht als Erkennungszeichen vorzeigen konnte - Klaus Wowereit kam natürlich herein - hatte man wenig Chancen und blieb in den Polizeikontrollen hängen.

Und wieder einmal gingen die eigentlichen Krawalle von linken Autonomen aus, denen die Rechten herzlich egal sind, die nur eine neue Gelegenheit zu Ekzessen suchten. Friedliche Demonstranten gegen die NPD gerieten so gestern im Scheunenviertel zwischen alle Fronten: hier skandierende Rechte, dort Steine werfende Linke. Natürlich sollen und wollen aufrechte Demokraten Gesicht zeigen. Nach dem gestrigen Tag muss aber die Frage erlaubt sein, ob sich das zwingend in einer direkten Gegendemonstration zu artikulieren hat. Ob es nicht vernünftiger und effektiver wäre, die Krawallmacher roter und brauner Couleur sich selbst und der Polizei zu überlassen. Wenn sie niemand zur Kenntnis nimmt, werden sie vielleicht im öffentlichen Raum wieder werden, was sie in Wirklichkeit sind: Randgruppen, Minderheiten, die nicht für dieses Land stehen.

Gerd Appenzeller

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