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Meinung: NPD-Verbot: Der faschistoide Nachbar

Die Repräsentanten der entscheidenden Verfassungsorgane der Bundesrepublik bewegen sich deutlich auf ein Verbot der NPD zu. Das Material gegen die wahlpolitisch erfolglose, auf der Straße aber wirksame Organisation lässt einen Verbotsantrag möglich erscheinen.

Die Repräsentanten der entscheidenden Verfassungsorgane der Bundesrepublik bewegen sich deutlich auf ein Verbot der NPD zu. Das Material gegen die wahlpolitisch erfolglose, auf der Straße aber wirksame Organisation lässt einen Verbotsantrag möglich erscheinen. Also entsteht Zugzwang. Die rot-grüne Regierung will nicht weicher erscheinen als die CSU, die das Verbot als Erste forderte.

Die provokativen Anschläge erfordern das, was sich als "entschlossenes Handeln" ausgeben lässt. Also wird man zuschlagen. Kein unangemessenes Gejammere. Zwar wird das Verbot die Lage der Staatsschützer kaum verbessern. Schon möglich, dass es sicherheitstechnisch "eher schadet", wie der nordrhein-westfälische Innenminister vermutete. Die Republik bleibt aber auch dann, wenn nach SRP und KPD in den fünfziger Jahren nun auch die NPD verboten werden sollte, ein im Kern liberaler Staat. Kein Anlass, sich gegenseitig mit pathetischen Appellen einzudecken.

Auf zwei Aspekte muss man allerdings mit rüder Deutlichkeit hinweisen. Das Problem der Deutschen sind nicht 9 000 Gewalttäter, von denen ein Teil die NPD als Plattform nutzt. Mit denen wird die Polizei schon fertig, mit und ohne Verbot. Das Problem sind acht oder zwölf Millionen guter Deutscher, die sich weder eine Glatze rasieren ließen noch Schlagringe oder Eisenstangen in die Hand nehmen. Diese unauffälligen Landsleute, gelegentlich (noch) Wähler der Volksparteien, pflegen ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild: latenter Rassismus, Volksgeistmystik, Ethnonationalismus.

Seit einer berühmten, immer wieder bestätigten Sinusuntersuchung anfangs der achtziger Jahre, ist gesichert, dass es sich um ein Potenzial von 12 bis 13 Prozent der Bevölkerung handelt. Dieses Potenzial ist durch die Wiedervereinigung angewachsen.

Der "Aufstand der Anständigen", den der Bundeskanzler gefordert hat, müsste sich gegen diese klammheimlichen Sympathisanten des rechten Terrors richten, also gegen den faschistoiden Nachbarn. Dieser Aufstand ist nicht organisierbar, daher das NPD-Verbot als Ersatzhandlung. Guido Westerwelles Behauptung, nicht die jüdischen Bürger, sondern die Täter seien isoliert in Deutschland, ist für viele Quartiere leider eine blanke Selbsttäuschung.

Zweitens befreite ein NPD-Verbot DVU und andere rechtspopulistische Kräfte von einem gefährlichen Konkurrenten. Danken wir dem Heiligen Antonius auf Knien, dass es bisher keinen deutschen Haider gibt. Gäbe es auf der Rechten jemanden, der sich auf die Arbeit der Zuspitzung verstünde, könnte der die faschistoiden Nachbarn zu einer Macht zusammenfassen, die sich nicht mehr mir nichts dir nichts verbieten ließe.

Wenn der Staat die nützliche Zersplitterung des rechten Lagers beendet, riskiert er just for show eine Neuformierung der unscheinbaren, getarnten, mit Krawatten ausstaffierten Rechten.

Verbot der NPD? Na schön. Wenn das allerdings alles wäre, wäre es eine Katastrophe.

Der Autor war Bundesgeschäftsführer der SPD und hat heute den Lehrstuhl für Medien und Kommunikation an der Universität St. Gallen inne.

Peter Glotz

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