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Meinung: NPD-Verbotsantrag: Verein der Gegner

Chronik eines ausgebliebenen Rücktritts: Vor zehn Tagen unterbrach das Bundesverfassungsgericht den Fortgang des Verfahrens zum NPD-Verbot. V-Leute als Belastungszeugen - das galt als schwer wiegender Schaden für den Verbotsantrag.

Chronik eines ausgebliebenen Rücktritts: Vor zehn Tagen unterbrach das Bundesverfassungsgericht den Fortgang des Verfahrens zum NPD-Verbot. V-Leute als Belastungszeugen - das galt als schwer wiegender Schaden für den Verbotsantrag. So schwer wiegend, dass das politische Anliegen zur Disposition gestellt und der Rücktritt des Innenministers gefordert wurde.

Plötzlich ist alles ganz anders. Die Sondersitzung des Innenausschusses geriet nicht zum Tribunal gegen Schily und andere Verantwortliche. Regierungskoalition und Opposition behalten sich zwar vor, weiter nach Fehlern des Wahlkampfgegners zu bohren; in erster Linie jedoch wollen sie nun den Verbotsantrag retten, die Verfahrensschäden durch Nachbesserung heilen und möglichst rasch ein Verbot der rechtsextremen Partei in Karlsruhe erwirken.

Zum Thema Hintergrund: NPD - Führerprinzip und starker Staat Stichwort: V-Leute, Anstifter und verdeckte Ermittler Also alles gar nicht so gravierend und ein weiteres Beispiel für die Aufbauschung einer unangenehmen Panne zur Affäre, zum Skandal als traurige Begleiterscheinung der Mediendemokratie? Oder ein Exempel für eine ganz andere Form politischer Schadensbegrenzung - die Absprache zwischen SPD und Union, die Rücktrittsforderungen sein zu lassen, weil bei genauerer Untersuchung beide einen Innenminister opfern müssten, die SPD Schily, die CSU Beckstein?

An der Panne mit den verschwiegenen V-Leuten gibt es nichts kleinzureden. Das Verfassungsgericht besteht auf einer schriftlichen Stellungnahme der drei Antragssteller Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag bis zum 11. Februar. Schon das zeigt: Es geht um gravierende Mängel, der Vorfall hat das Verfahren gegen die NPD beschädigt.

Die Unschuld verloren

Etwas ganz anderes ist passiert. Spät zwar, aber rechtzeitig erinnerte man sich an die gebotene Güterabwägung. Tagelang war vornehmlich gefragt worden, welche Risiken damit verbunden sind, das Verfahren weiter zu betreiben - voran das Risiko, dass am Ende das Verbot wegen der Fehler scheitert. Schließlich dämmerte es den Beteiligten, dass auch umgekehrt zu fragen ist: Welcher Schaden entsteht, wenn der Antrag fallen gelassen wird? Immerhin geht es um das Ansehen von drei Verfassungsorganen.

Regierung und Opposition haben die Kurve gerade noch gekriegt. Wahlkampf hin, Parteitaktik her - hier steht ein gesamtstaatliches Interesse auf dem Spiel. Die Debatte über den Sinn des Verfahrens lässt sich nicht mehr in die unschuldige Zeit vor der Beantragung des Parteiverbots zurück bugsieren. Damals hätte man sich - mit gar nicht so schlechten Gründen - gegen den Antrag entscheiden können; die öffentliche Stimmung nach mehreren Anschlägen und Überfällen mit mutmaßlichem oder erwiesenem rechtsradikalen Hintergrund gab den Ausschlag gegenüber den Bedenken.

Dieser politische Druck ist heute nicht mehr vorhanden. Und doch können Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag die Gelegenheit nicht nutzen, um den Verbotsantrag zurückzuziehen. Das würde, ob sie es wollen oder nicht, als Kapitulation vor der NPD verstanden. Die aufgedeckten Verfahrensmängel haben ihr Gewicht, sie sind aber nicht irreparabel. Mit einigen Nachbesserungen hat der Verbotsantrag eine hohe Aussicht auf Erfolg. Wer den Spott hat, darf nicht auch noch für den Schaden sorgen.

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