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Das Los entscheidet nun über die Akkreditierung von Journalisten für den am 6. Mai in München am Oberlandesgericht beginnenden NSU-Prozess.

© dpa

NSU-Prozess: Glückssache Öffentlichkeit

Das Oberlandesgericht München hat mit seinem neuen Akkreditierungsverfahren das wichtigste Ziel, Medien aus den Herkunftsländern der NSU-Opfer teilhaben zu lassen, erreicht. Aber es zeigt auch, wie überfordert dieses Gericht ist. Und welch antiquiertes Medienverständnis es hat.

Das wichtigste Ziel hat das Oberlandesgericht München erreicht. Der international beachtete Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und ihre Mitstreiter bekommt nun auch ein internationales Publikum. Das ist genauso richtig wie notwendig.

Es geht bei der Akkreditierung von Journalisten eben nicht nur um einen technischen Vorgang. Es geht auch darum, wie und vor allem wie viel Öffentlichkeit das Gericht herstellt. Da mag das zuerst gewählte Prinzip – wer zuerst kommt, mahlt zuerst – formal sogar das beste, weil gerechteste gewesen sein. Im Ergebnis aber war es verheerend, weil es ausgerechnet Medienvertreter aus den Ländern der NSU-Opfer außen vor ließ. Das jetzt gewählte Verfahren stellt deren Zugang sicher.

Das ist am Ende der entscheidende Punkt. Probleme, die sich aus dem neuen Verfahren ergeben, mögen im Vergleich dazu politisch marginal sein. Unwichtig sind sie nicht. Denn sie passen ins Bild und zeigen, dass dieser Prozess eine Nummer zu groß ist für das OLG. Es ist ein Prozess zu einer Terrorserie mit zehn Todesopfern, etlichen Verletzten und Traumatisierten durch rechte Gewalt. Daraus resultieren große Erwartungen und Ansprüche, die mit juristischem Formalismus kaum zu erfüllen sind.

Das Gericht hat nun versucht, Medien zu kategorisieren. Nur sind sie dabei nach einem Medienverständnis aus den späten achtziger Jahren vorgegangen, als es gerade en vogue war, private Fernseh- und Rundfunksender zu akzeptieren. Online gab es nicht, Blogger auch nicht, und freie Journalisten waren die Ausnahme. Heute ist das anders. Nur findet sich über diese Mediengruppe in den neuen Akkreditierungsregeln kein Wort. Anmelden können sich Online-Medien, freie Journalisten und auch Blogger, eine reservierte Kategorie gibt es für sie nicht.

An anderer Stelle hat das Gericht unscharf formuliert. Da ist von Rundfunk und Fernsehen die Rede. Gemeint ist wohl Hörfunk, Rundfunk umfasst beides. Neue Klagen sind also nicht ausgeschlossen. Wie antiquiert das Öffentlichkeitsverständnis des Gerichts ist, kommt in den neuen Regeln gut zum Ausdruck. Nun müssen die Verlage sehen, wie sie damit klar kommen, und Printjournalisten sind digital noch mehr gefordert.

Fakt bleibt: Fünfzig Plätze sind zu wenig. An dieser Begrenztheit muss das Gericht zwangsläufig scheitern. Eine Videoübertragung in einen anderen Saal könnte ein Ausweg sein. Doch davor schreckt das Gericht immer noch zurück – auch, weil es keine eindeutige gesetzliche Regelung dafür gibt.

Hier wäre die Politik gefordert gewesen. Spätestens seit klar war, dass das viel zu kleine OLG München diesen viel zu großen Prozess verhandeln wird, hätte der Gesetzgeber für die Rahmenbedingungen sorgen müssen. Seit Jahren wird über Videoübertragungen bei Gerichtsprozessen diskutiert. Es wäre ein kluges politisches Ziel gewesen, rechtzeitig Klarheit in diesem Punkt herzustellen. Nur hatte dieses Ziel keiner im Blick. Aber dass beim Thema NSU die richtige Perspektive fehlt, ist ja nicht neu.

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