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NSU-Skandal: Spätfolgen für die Sicherheit

Die Aufklärung des NSU-Skandals zeigt, dass Transparenz nicht alles ist. Vor allem dann, wenn sensible Auskünfte an die Medien durchsickern. Da mangelt es an ethischen Standards.

Von Frank Jansen

Bald jährt sich zum ersten Mal das Ende der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, aber die Sicherheitsbehörden haben sich noch lange nicht von dem Debakel bei der Suche nach dem Trio erholt. Wie selten zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik wird vor allem der Verfassungsschutz mit Vorwürfen und Zweifeln an seiner Effektivität belastet. Da dürfte es auch nicht viel nützen, dass der Beauftragte des Bundesinnenministers zur Klärung der Affäre um geschredderte Akten im Bundesamt für Verfassungsschutz keine absichtliche Vertuschung festgestellt hat. Außerdem wächst ein weiteres Problem, das den Ruf des Nachrichtendienstes genauso tangiert wie sein Kerngeschäft.

Der schon immer problematische Umgang mit V-Leuten ist in den vergangenen Monaten noch schwieriger geworden. Mit zunehmender Nervosität registriert der Nachrichtendienst, dass die von Politik und Medien geleistete Aufklärung des NSU-Debakels auch Spitzel in Gefahr bringt. Mit der Folge, dass es für den Verfassungsschutz in der rechtsextremen Szene kaum noch möglich ist, neue V-Leute zu werben. Erst recht, wenn auch noch im Vorgriff auf ein mögliches Verbotsverfahren gegen die NPD einige Innenminister verkünden, sie würden dem Bundesverfassungsgericht die Klarnamen von Spitzeln nennen, obwohl der Verfassungsschutz den V-Leuten stets Vertraulichkeit zusagt. Was ist dieses Versprechen heute noch wert?

So hält der Nachrichtendienst seine Aufgabe, Informationen mithilfe „menschlicher Quellen“ zu sammeln, verständlicherweise für bedroht. Das gilt auch, wenn ein Innenminister, wie jetzt der in Thüringen, Klarnamen von V-Leuten an einen NSU-Untersuchungsausschuss weiterleitet. Obwohl selbst Abgeordnete sagen, dass sie die Identität von Spitzeln nur in Ausnahmefällen erfahren müssten. Das zeugt von der Einsicht, grenzenlose Transparenz könnte die innere Sicherheit gefährden.

Vor allem dann, wenn sensible Auskünfte an die Medien durchsickern. Dass Abgeordnete empört jeden Verdacht abweisen, aus ihren Reihen könnten Journalisten mit brisanten Details versorgt werden, ist lebensfremd. Aus der Politik werden Informationen durchgestochen, das gilt genauso für Behörden aller Art. Ob daraus ein Sicherheitsrisiko entsteht, hängt jedoch vor allem vom Umgang der Journalisten mit ihren Erkenntnissen ab.

Da mangelt es an ethischen Standards. Ein Teil der Medien hat keine Scheu, V-Leute zu enttarnen. Das ist unverantwortlich und auch nicht damit zu rechtfertigen, dass Spitzel meist keine sympathischen Menschen sind. Die Berichterstattung über den NSU-Skandal und seine Aufklärung wäre manchmal glaubwürdiger, wenn sie weniger kaltschnäuzig erschiene.

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