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Meinung: Nützliche Drohgebärden

Von Cordula Eubel Das aus Brüssel angedrohte Verkaufsverbot für Ökoprodukte hat alle Beteiligten in helle Aufregung versetzt: die Biobauern ebenso wie den Bauernverband, das Bundesverbraucherministerium ebenso wie die Behörden in den Ländern. Und das ist auch gut so.

Von Cordula Eubel

Das aus Brüssel angedrohte Verkaufsverbot für Ökoprodukte hat alle Beteiligten in helle Aufregung versetzt: die Biobauern ebenso wie den Bauernverband, das Bundesverbraucherministerium ebenso wie die Behörden in den Ländern. Und das ist auch gut so. Seit am Wochenende die Information aus Brüssel durchsickerte, dass schon Anfang der Woche die EU-Kommission einen kompletten Vermarktungsstopp durchsetzen könnte, arbeiten die Behörden auf Hochtouren. Da kommen plötzlich neue Details über die mit Nitrofen verseuchte Lagerhalle in Malchin zu Tage. Da legen Bundesländer Untersuchungsergebnisse von Geflügel-Tests schon ein paar Tage früher als angekündigt auf den Tisch.

Die Drohgebärden aus Brüssel haben ungeahnte Energien freigesetzt. Erst jetzt, wo das Schicksal einer ganzen Branche auf dem Spiel steht, kapieren die Beteiligten, dass nur die schnelle Aufklärung ihre Existenz sichern kann. In den vergangenen Tagen und Wochen haben nicht alle so konsequent an der Aufklärung des Nitrofen-Skandals gearbeitet, wie das notwendig gewesen wäre. So erhielt etwa das Bundesverbraucherministerium erst am Wochenende sämtliche Lieferlisten der in den Skandal verwickelten Firmen. Nur damit lassen sich alle Warenströme genau verfolgen. Wer nicht genau weiß, an wen verseuchter Weizen geliefert wurde, kann auch nicht alle verdächtigen Spuren verfolgen. Und nur mit Sorgfalt und viel Detektivgespür lässt sich dieser Skandal aufklären. Dafür braucht man jede Detailinformation aus den Bundesländern. Nur dann können sich die Puzzleteile in dem Öko-Kriminalfall zu einem vollständigen Bild zusammenfügen.

Es ist daher verständlich, dass die widersprüchlichen Meldungen aus Deutschland die Brüsseler Behörden auf den Plan gerufen haben. „Das Bild wird für uns immer unklarer, je mehr Informationen wir erhalten“, monierte die Sprecherin von EU-Verbraucherkommissar David Byrne. Die Informationen aus Deutschland bezeichnete sie als „Besorgnis erregend". Und in der Tat machten einem die Nachrichten aus Niedersachsen Angst. Das Landwirtschaftsministerium in Hannover schlug in dieser Woche Alarm, neben der Lagerhalle in Malchin könne es möglicherweise eine weitere Quelle für Nitrofen-Verseuchungen geben. Auch für die Kommission ein alarmierendes Signal. Wenn sich diese Meldung bestätigt hätte, wäre das Ausmaß der Vergiftung von Bioprodukten in ganz Europa unüberschaubar gewesen. Ein vorübergehendes Verkaufsverbot von deutschen Produkten wäre dann durchaus angemessen gewesen.

Wenige Tage später sieht es jetzt danach aus, als ob die Vermutung einer zweiten Nitrofen-Quelle auf falsche Schlussfolgerungen des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums zurückzuführen ist. Zwar ist es durchaus ehrenwert, dass die zuständigen Stellen den Skandal nicht mehr unter den Teppich kehren. Schweigen macht die Situation nicht besser. Aber dem Alarm hätten sofort schnelle und umfassende Recherchen folgen müssen. Denn ungerechtfertigte Panikmache hilft keinem, weder dem Verbraucher noch dem Biobauern. Das Verbraucherschutzministerium gibt sich jetzt schon optimistisch, dass ein europaweiter Verkaufsstopp abgewendet werden kann. Sollte es aber doch dazu kommen, dann steht tatsächlich das Überleben vieler Biobauern auf dem Spiel. Den Bauern würden nicht nur für die Dauer des Verbots ihre Absatzmärkte wegbrechen. Auch danach wäre der Imageschaden deutscher Bioprodukte in ganz Europa groß. Nach den jüngsten Erkenntnissen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es tatsächlich nur eine Quelle für die Verseuchung gibt, sich die Wege des giftigen Nitrofens bis zum einzelnen Bauern also genau verfolgen lassen können.

Sanktionen aus Brüssel wären dann in der Tat unverhältnismäßig.

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