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Meinung: Nur ein Blatt ans Finanzamt

Wie realistisch ist der Vorschlag für eine radikale Steuersenkung?

Von Antje Sirleschtov

Was für eine Idee! Das Steuerrecht soll radikal vereinfacht werden. Nicht erst in hundert Jahren, sondern jetzt. Vielleicht schon 2005. Nach monatelangen Qualen mit Pendlerpauschalen und Hundefuttersteuern haben Deutschlands Politiker wieder eine Vision. Vorerst zwar nur die Ministerpräsidenten der Union. Aber auch Sozialdemokraten und Grünen leuchten die Augen, wenn der Name erklingt: Paul Kirchhof, ehemaliger Verfassungsrichter und Steuerexperte.

Er soll zum Vater der Einfachsteuer werden. 25 Prozent beim Einkommen, beim Konzerngewinn, bei Vermögen und Renditen. Nicht mehr und für niemanden weniger. Kurz und knapp soll die Steuererklärung werden. Eine Din-A-4-Seite. 8000 Euro Freibetrag für jeden, macht bei fünf Kindern 56000 Euro. So viel zur Familienkomponente. Doch das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Für sinkende Steuersätze müssen Bürger und Unternehmen viel hergeben: Alles, was sie bislang glücklich und ihre Berater reich gemacht hat, nämlich Abzüge, Verrechnungen und Bilanzgestaltungen, fallen weg. Auch Pendlerpauschale und Sonntagszuschläge.

Ist Kirchhofs Idee einfach und transparent? Zweifellos. Und gerecht? Auf den ersten Blick sieht es so aus. Doch Gerechtigkeit ist keine mathematische, sondern eine politische Größe. Und führt deshalb unweigerlich zu der alles entscheidenden Frage: Ist Kirchhofs Vision auch realistisch? Abgesehen von tausend ungeklärten Detailfragen müssten beide Volksparteien Mauern einreißen, die sie gerade erst im Begriff sind höher zu bauen. Denn Kirchhof kostet wahrscheinlich 50 Milliarden Euro, also Schichtzuschläge, Eigenheimzulage, ermäßigte Mehrwertsteuersätze zusammen, und noch viel mehr. Das alles muss gestrichen werden, damit der Staat weiter finanziert werden kann und nicht neue Schulden machen muss. Sind die Parteien, die in der Gesundheit zu nicht mehr als einem mageren Reförmchen bereit waren, schon reif für einen so visionären Schritt? Und was noch entscheidender ist: Das geistige Eigentum an Kirchhof wird die Union für sich reklamieren. An der rot-grünen Regierung klebt dagegen das Mal des finanzpolitischen Kleinkrämers.

Die Aussichten für diesen Herbst: Die Union will (wahrscheinlich) keine Steuerreform und keinen Subventionsabbau, die Regierung dafür neue Schulden. Und alle zusammen haben nur eine vage Vision.

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