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Meinung: Nur im Notfall gesichert Von Martin Gehlen

Dem Bundesverfassungsgericht ging es nur um eine symbolische Geste. Ehepaare mit Kindern wollten die obersten Richter bei der Pflegeversicherung ein wenig entlasten.

Dem Bundesverfassungsgericht ging es nur um eine symbolische Geste. Ehepaare mit Kindern wollten die obersten Richter bei der Pflegeversicherung ein wenig entlasten. Kinderlose sollten etwas mehr zahlen, schließlich profitieren sie mit von anderer Leute Lebensleistung. Eigentlich ganz einfach, wäre da nicht die rotgrüne Bundesregierung auf Hintergedanken gekommen. Mit der Karlsruher Vorgabe, so das Kalkül der zuständigen Ministerin Ulla Schmidt, ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Den Kinderlosen könnte der Staat mit dem Segen aus Karlsruhe etwas mehr abknöpfen. Die Familien zahlen weiter wie gehabt. Der vom Gericht geforderte Abstand wäre formal hergestellt – bei höheren Einnahmen. Das so gewonnene Geld wollte Ulla Schmidt dann nutzen, um Zusatzangebote der Pflegeversicherung zu finanzieren, zum Beispiel eine bessere Versorgung von Demenzkranken.

Diese Doppelstrategie jedoch ist völlig danebengegangen. Bundeskanzler Schröder kassierte auf einer Kabinettssitzung den Pflegezusatz für Demenzkranke. Und Rot-Grün hat eine öffentliche Diskussion ausgelöst, in der nun sogar die Wohlfahrtsverbände fordern, die umlagefinanzierte Pflegeversicherung vollends abzuschaffen. Was als Alternative dazu existiert, ist so schlicht und überschaubar wie in den anderen Sozialbereichen auch. Entweder wird die Pflege der Zukunft privat abgesichert oder komplett aus Steuergeldern bezahlt.

Das Steuermodell hätte sogar einigen sozialpolitischen Charme. Denn dann kämen nicht mehr nur die abhängig Beschäftigten für die Gebrechlichen auf, sondern alle Steuerpflichtigen. Und die Mittel flössen künftig nur noch an die wirklich Bedürftigen, die eine Pflegekraft aus eigenen Mitteln nicht bezahlen können. Ein steuerfinanziertes Pflegesystem wäre auf der Einnahmenseite gerechter und auf der Ausgabenseite volkswirtschaftlich billiger. Aber es wäre gleichzeitig auch ein weiterer Schritt in einen anderen Sozialstaat – weg von der Legitimität einer lebenslang erarbeiteten Sozialversicherungsleistung hin zu einer staatlich zugeteilten Versorgung im Notfall.

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